Nachdem ich seit letztem Jahr mit einer Nikon FE2 wieder gelegentlich analog (KB/35 mm) fotografiere, hatte mich ein Buchprojekt mit den beiden Betreibern von absolut analog (Monika Andrae und Chris Marquardt) sehr neugierig auf das Mittelformat gemacht. Ich hatte zuvor noch nie mit 120er-Rollfilm fotografiert und war (bin!) fasziniert von den Möglichkeiten, die sich mit verschiedenen Filmen und großen Negativen bieten. In dieser dreiteiligen Artikelserie berichte ich von meinen ersten Erfahrungen mit Kamera und Filmen.
Analoges Mittelformat: Erste Erfahrungen mit der Mamiya RB67 (1)
Kauf der Kamera
Es sollte 6×7 sein, das etwas größere Mittelformat (entspricht 10 Bildern auf einem 120er Rollfilm), mit einem Lichtschachtsucher (daran gefällt mir neben der freien Sicht auf das Motiv auch der tiefere Kamerastandpunkt). Auf eBay heißt das: Mamiya, meist RB 67 (Gehäuse und Filmkassette € 200,- bis € 400,-) oder RZ67 (ca. € 200,- mehr), aber mir gefiel das massiv-mechanische Design der RB67. Ich entschied mich für eine RB 67 Pro-S (Baujahr ca. 1974), die ich vorab schon begutachten konnte und deren Verkäufer die Kamera bei Mamiya München hatte instand (also Lichtdichtungen und Spiegeldämpfungen ersetzen) lassen.
Dazu das Sekor f/3.8 90 mm als Standardbrennweite (Cropfaktor ist verglichen mit KB ca. 0,5, d.h. der Abbildungsmaßstab des 90 mm entspricht etwa einem 50 mm KB, entsprechend weich ist auch das Bokeh – nicht nur bei Offenblende). Die RB-Objektiv-Palette ist leider etwas lichtschwach (beginnend ab f/3.5) – Mamiyas RZ-Objektive gibt es auch mit 2.8er-Lichstärke, aber sie sind nicht kompatibel zur RB. Für die RB 67 sind neben verschiedenen Telebrennweiten (127 mm gilt noch als Standardbrennweite, los geht es ab 150 mm bis hinauf zu 500 mm) nur wenige Weitwinkel und ein Fisheye erhältlich – vom 50 mm wird dabei wegen Verzerrung abgeraten, populärer ist das 65 mm (das in KB etwa 35 mm entspricht). Wichtig: Objektive dürfen nur mit gespanntem Verschluss auf- und abgesetzt werden!
Ich komplettierte das Set mit einem Tragegurt, um die 3,5 kg schwere (und eigentlich für den Studioeinsatz gebaute) Kamera auch außerhalb des Hauses nutzen zu können, und einer zweiten 120er-Filmkassette zum Wechseln.
Bastelarbeit
Und damit begann auch die befürchtete Bastelarbeit. Ich hatte Glück mit Kamera und Kassette – die Lichtdichtungen und die Spiegeldämpfung waren frisch erneuert. Aber die Schaumstoffdichtungen der zweiten Filmkassette hatten, soweit sie überhaupt noch vorhanden waren, nach 40 Jahren die Konsistenz von Ölkumpen (und verhielten sich auch genauso). Nach Studium einiger YouTube-Tutorials machte ich mich ans Herauskratzen der Reste mit Zahnstocher, Q-Tipps und Alkohol aus der Apotheke, um dann das beim Kamerakauf mitgelieferte, selbstklebende Neopren zuzuschneiden.

Reste der alten Dichtungen entfernen
Um es kurz zu machen: selbst mit einer sehr scharfen, kleinen Klinge und einem Metall-Lineal erhielt ich keine brauchbaren Resultate. Das Material verzieht sich beim Schneiden – dabei braucht es eine Genauigkeit vom Bruchteil eines Millimeters, damit die Streifen passgenau in die Fugen der Filmkassette rutschen. Dass das Thema „Lichtdichtungen“ kein leichtes ist, lässt sich sehr unterhaltsam beim kameradoktor.de nachlesen – leider stellt er kaum noch Dichtungssets her. Ich wandte mich also nach einer Recherche zu „light seals“ an eine Firma in Japan, und eine Woche später erhielt ich für nicht mal € 20,- ein sorgsam verpacktes Doppelset mit lasergeschnittenen Schaumstoffdichtungen (nebst Anleitung und einem Zahnstocher zum Platzieren). Damit hat es dann gut geklappt.

Die Dichtungen sitzen (auch dank der hervorragenden Anleitung)
Erster Test
Die ersten beiden Filme dienten dann dazu, die Lichtdichtigkeit zu beweisen (erfolgreich), aber natürlich auch zur Gewöhnung an die Kamera. Und wenn man vom (analogen) Kleinbild kommt, muss man sich an so einiges gewöhnen:
- Zwei Spannhebel – einer an der Gehäuseseite zum Spannen von Objektivverschluss und Spiegel und einer auf der Kassette für den Filmtransport.
- Weil die Filmkassette austauschbar ist, schützt ein „Blackslide“ den Film vor unfreiwilliger Belichtung – der Auslöser wird nicht freigegeben, solange das Blackslide noch in der Filmkassette steckt, man muss es also vor der Aufnahme herausziehen. In diesem Zustand wiederum lässt sich die Filmkassette nicht abnehmen.
- Nach dem Auslösen kann der Film erst transportiert werden, wenn man das belichtete Bild mit einem Hebel als „belichtet“ markiert hat (möglicherweise ist das bei meiner RB67 eine Fehlfunktion und die Markierung sollte nach dem Auslösen automatisch erfolgen). Nach der dritten oder vierten Doppelbelichtung hatte ich auch das gelernt.

Einfacher als in Digital: Doppelbelichtung mit der Mamiya RB 67
Weil ich auf den Prismensucher mit der Lichtwaage verzichtet hatte, muss ich die Belichtung von Hand messen. Wenn ich die Belichtung nicht auf Basis der Sunny 16-Regel einstelle, nutze ich die iPhone-App „Luxmeter“, die als Bonus die gemessenen Daten auch noch mit dem Messfoto ablegt (falls ich die gescannten Fotos später doch noch mit rudimentären EXIF-Daten versehen möchte – mehr dazu in Teil 3). Bislang habe ich damit gute Ergebnisse erzielt, ein echter Belichtungsmesser wäre allerdings handlicher und schneller einsatzbereit.
Nach diesen Vorbereitungen kann es nun an das Fotografieren mit der RB 67 gehen – mehr dazu gibt es im zweiten Teil dieser Artikelserie.
Alle Artikel der Serie im Überblick:
1) Analoges Mittelformat: Erste Erfahrungen mit der Mamiya RB67 (1)
2) Analoges Mittelformat: Erste Erfahrungen mit der Mamiya RB67 (2)
3) Analoges Mittelformat: Erste Erfahrungen mit der Mamiya RB67 (3)
4) Ein Jahr analog fotografieren mit der Mamiya RB67
Hallo Boris,
spannender Artikel über analoges Mittelformat, ich spiele schon länger mit dem Gedanken ins analoge Mittelformat einzusteigen. Da kommt der Artikel genau richtig, ich bin schon den zweiten teil gespannt.
Viele Grüße,
Steffen
Hallo Steffen,
vielen Dank:) – wenn Du Fragen oder Anregungen zum Thema/Inhalt der Artikel hast, immer her damit!
Schöne Grüsse,
Boris
Hallo Boris,
ich habe mir auch vor einiger Zeit eine RB67 besorgt und diesen Sommer dann mal ernsthaft damit fotografiert. Das Teil ist echt eine Persönlichkeit. Selbst wenn man sonst öfters mit anderen Mittelformatkameras fotografiert ist das Ding doch der Höhepunkt der manuellen Arbeit. Man muss bei jeder Aufnahme an so viele Schritte denken, die einem sonst die Kamera abnimmt. Ich hatte natürlcih auch mehrere Doppelbelichtungen. Da hilft nur sich einen gleichbleibende Arbeitsweise anzugewöhnen.
Liebe Grüße
Michi
Hallo Michi,
das stimmt. Es ist ein bisschen so, als finge man mit dem Fotografieren wieder von vorne an – was ja nicht schlecht ist, wenn man etwa endlich mal lernt, manuell zu belichten. Oder mehr Arbeit in die Komposition eines Motivs zu stecken. Tatsächlich muss ich mich ein bisschen zwingen, mit meiner digitalen Kamera zu fotografieren – es macht einfach so viel Spass, die RB67 in der Hand zu halten und zu be-greifen, wie die Kamera funktioniert. Mal sehen, wie weit das noch geht:).
Schoene Gruesse,
Boris
Hallo Boris,
danke für den Tipp mit den Dichtungen.
Sind bei dem Set auch die runden Dichtungen dabei, die vor und hinter dem RotationBack sind?
Hallo Andi,
hm, es sind eigentlich alle Dichtungen in doppelter Ausführung im Set dabei. Weil ich sie allerdings nicht austauschen musste, kann ich nicht 100%ig sagen, ob auch die dünnen Dichtungen auf der Kamera-Seite des Drehrahmens dabei waren. Die anderen – also fuer die Seite, auf der die Filmkassette einklinkt – auf jeden Fall.
Schöne Grüße,
Boris
Hallo Boris,
hab‘ lange mit der RB 67 fotografiert. Dein Artikel hat mich so angemacht, dass ich sie jetzt wieder hervorholen werde. Ist ja wirklich ein wunderschönes Teil.
Als ich das erste Model vor der RB67-Linse hatte habe ich erst mal Polaroids gemacht, um die Belichtung zu prüfen. Sage und schreibe sieben Mal war nichts auf dem Polaroid. Der Grund: die Kamera löst nicht aus, wenn der Schieber noch vor der Kassette ist – wie Du es beschrieben hast. Das ist aber nicht so bei der Polaroid-Kassette: die Kamera löst auch aus, wenn der Schieber noch drin steckt.
Bin gespannt, ob ich da nochmal Fahrt aufnehme. Dir weiter viel Freude an der RB 67.
Wundere Dich nicht über meine Webseite – dort siehst Du nur meinen Hauptberuf.
Herzliche Grüße
Manfred
Hallo Manfred,
danke fuer Deinen netten Kommentar. Ich muss sagen, die RB67 entwickelt Sogwirkung. Ich lasse meine digitale Nikon immer öfter stehen, experimentiere mit Farbfilmen, entwickele (und scanne) inzwischen S/W selbst, die Ausrüstung wächst auch … Die Hardware macht mir einfach Spass (Handling und Qualität), und ich mag diese grossen Negative (auch dankbar, wenn man nur einen einfachen Durchlichtscanner hat).
Also viel Spass beim eventuellen Wiedereinstieg und Vorsicht – beim Einlegen des ersten Films kann es schon zu spät sein:).
Schoene Grusse,
Boris
Hallo Boris,
habe deinen Artikel mit Interesse gelesen.
Ich fotografiere auch mit der RB67 und stehe hier (mal wieder) vor dem Problem mit den Lichtdichtungen bei den Filmkassetten.
Könntest du mir vielleicht deine Bezugsquelle für das Dichtungsset nennen?
Viele Grüße, Angela
Hallo Angela,
gern: http://aki-asahi.com/store/html/Mamiya-RB67/Light-seal/. Die funktionieren bei mir seitdem ausgezeichnet. Versanddauer war bei mir ca. 10 Tage.
Viel Erfolg & schöne Grüße,
Boris
Ich habe mir meiner RB67 1972 gekauft. War damit als Anthropologe viele Jahre im Nordost-Kongo und habe wunderbare ethnographische Aufnahmen gemacht. Der damaligen Preis mit einer Kasette war 24.000 öS (damals etwa 3.500 DM). Sie ist schwer, aber die Stabilität ist daher hervorragend. Über dem Bauch andrücken, Luft anhalten und eine Foto mit langer Belichtung gelingt auch ohne Stativ. Habe etwa 3000 Fotos in meinem Archiv. Besteht interesse einige davon zu sehen? Könnte sie teilen.
Liebe Grüsse.
Werde die Alte wieder benutzen, obwohl Material und Entwicklung etwas schwierig geworden ist.