Kleinsch…
Kleine Tipps, die das (fotografische) Leben erleichtern
Teil 1: Bei der Aufnahme
Dieser Artikel stellt das zusammen, was die Engländer „Odds and
Ends“ nennen, einen Haufen kleiner, von mir als nützlich betrachteter
Tipps und Tricks, die einzeln nicht für eigene Kolumnenbeiträge reichen.
Bestimmt gibt es noch viele weitere solche Tipps. Wenn Sie der Meinung sind,
ich hätte etwas ganz Nützliches vergessen, schicken Sie mir eine
Mail. Nachlegen kann man immer.
Haltung bewahren! (Wie lange belichtet wird aus der Hand noch scharf?)
Eigentlich sollte es sich schon herumgesprochen haben: Die so ziemlich unergonomischste
Kamerahaltung, mithin auch die Kamerahaltung, bei der es am schwierigsten ist, überhaupt
unverwackelte Fotos zu bekommen, ist die übliche mit der Kamera vor dem
Gesicht. Die Kamera befindet sich am oberen Ende einer hin- und herpendelnden
Konstruktion (Gemeint ist der Fotograf.), der in einer absolut unbequemen Haltung
mit meist krummem Rücken und verkrampften Armen da steht. Verkrampfte
Muskeln zittern, und so wundert es nicht, dass viele Kollegen z.B. mit einer
Normalbrennweite wirklich scharfe Fotos nicht ab dem durch die bekannte Faustregel
vorgegebenen Grenzwert von 1/60 s hinbekommen, sondern sicher erst ab 1/250
s.
Wie anders sieht das bei einem Schachtsucher aus, wie ihn z.B. meine alte Rolleiflex
oder in Form des Displays meine modernere (allerdings auch schon wieder veraltete)
Nikon Cooplix hat. Mit diesen beiden Geräten habe ich schon unerwartet
scharfe Fotos mit Zeiten von 1/15 s frei aus der Hand geschossen. In einigen
alten Büchern werden zu Recht für verschiedene Fotografierhaltungen
unterschiedliche Grenzwerte für die längste ohne Stativ zu haltende
Verschlusszeit angegeben. Für eine Kamera, die man vor dem Bauch hält,
möglichst mit dem Trageriemen um den Hals, werden erheblich längere
Zeiten angegeben als für eine Kamera vor dem Gesicht. Zwei Blendenstufen
Unterschied sind gängig. Halten Sie den Trageriemen leicht gespannt, aber
nicht so sehr, dass Sie anfangen zu zittern. Sie werden sehen, Sie kommen mit
wesentlich längeren Zeit davon als sonst. Dass es nicht immer gut geht,
ist klar, aber stabiler als die übliche Haltung ist diese allemal.
Ungünstig in Bezug auf mäßig lange Zeiten – ich meine
1/30 s und länger – sind einäugige Spiegelreflexkameras. Wenn
wir „zielen“, passiert folgendes: Das Auge registriert im Sucher
eine Abweichung von der Sollposition, und das Gehirn sagt dem Bewegungsapparat,
was er zu tun hat, um das auszugleichen. Während der eigentlichen Belichtung
ist aber bei einer einäugigen Spiegelreflexkamera das Sucherbild futsch,
was bedeutet, dass die Korrekturinformationen fehlen. Abweichungen werden nicht
mehr korrigiert. Daher wissen Available-Light-Profis schon lange, dass Sucherkameras
i.Allg. sicherer bei solchen Zeiten zu halten sind. Helfen können Sie
sich natürlich auch, indem Sie auch auf eine SLR (= Single-Lens Reflex
oder einäugige Spiegelreflexkamera) einen Aufstecksucher packen und durch
diesen zielen. (Leider sind Aufstecksucher aber meist nicht eben preiswert.)
Überhaupt ist „aus der Hand“ nicht gleich „aus der Hand“.
Wenn Sie sich an einer Wand anlehnen, bringt das eine Menge Stabilität,
ich würde schätzen, dass sich so mindestens eine Stufe länger
aus der Hand halten lässt. Noch besser, wenn Sie statt Ihres Körpers
gleich Ihre Kamera anlehnen. Ich habe schon Aufnahmen bis zu 1 s scharf hinbekommen,
indem ich meine Kamera an eine Häuserwand oder einen Laternenpfahl gehalten
habe. Und auf einer Mauer steht eine Kamera fast ebenso sicher wie auf einem
Stativ. Wenn Sie sicherstellen wollen, dass Ihr gutes Stück keinen Kratzer
bekommt, legen Sie ein Kleidungsstück, eine Plastiktüte (für
Umweltbewusste tut’s auch ein Baumwollbeutel) oder ein Kleidungsstück
darunter. Aber aufgepasst: Machen Sie’s nicht zu weich, sonst ist ein
Teil des stabilisierenden Effekts wieder dahin. Zweck ist es ja, die Kamera
unbeweglich zu machen, und auf einem weichen Kissen ist sie noch beweglich.
Gute Dienste kann ein so genanntes Tischstativ leisten. Je nach Konstruktion
können Sie damit Ihre Kamera wesentlich freier (und im Hinblick auf Kratzer
angstfreier) auf und an allen möglichen anderen Dingen anlehnen. Zu guter
letzt lassen sich solche Stative auch nutzbringend als Schulter- oder Bruststative
einsetzen.
Ein Stativ für die, die nicht gern schleppen: das Schnurstativ
Nachgerade genial ist das Schnurstativ. Ein erfindungsreicher Niederländer
beschreibt unter http://www.xs4all.nl/~wiskerke/artikelen/touw.html das Touwtjesstatief
(= Schnurstativ). Auch das ist eigentlich keine neue Erfindung, sondern wird
schon seit Jahrzehnten in Fotobüchern gepredigt. Besorgen Sie sich einfach
für ein paar Euro eine Stativschraube und befestigen Sie an dieser ein
hinreichend langes Stück solider Kordel. Sie können die Schraube
(meist ist sie aus weichem Aluminium) dazu durchbohren, oder Sie klemmen einfach
das Stück Kordel mit der Schraube am Kameragehäuse fest. Bei der
Aufnahme lassen Sie nun einfach das Stück Schnur auf den Boden hängen,
treten mit einem Fuß darauf, spannen die Schnur leicht, nehmen Ihrerseits
eine entspannte Haltung ein und los geht's. Sie werden staunen, was das bringt.
Aus meiner Erfahrung würde ich sagen, dass so mit guter Erfolgswahrscheinlichkeit
eine um den Faktor vier (entspricht zwei Blendenstufen) längere Zeit gehalten
werden kann als freihändig.
Eine raffinierte Verfeinerung dieses Stativs ist das Schnur-Zweibein (siehe
genannte Web-Seite): Benutzen Sie ein hinreichend langes Stück Kordel,
dessen Enden Sie zusammengeknotet haben, so dass ein Ring entsteht. Der muss
so groß sein, dass Sie mit beiden Füßen darin stehen können
und die Kamera in angehobenem Zustand auch noch in den Kordelring passt. Sie
erzeugen so ein Dreieck, an dessen unteren Ecken sich Ihre Füße
und an dessen Spitze sich die Kamera befindet. Die Kamera hat jetzt noch weniger
Bewegungsmöglichkeiten als beim einfachen Schnurstativ. Sie brauchen hierzu
nicht einmal eine Stativschraube, denn Sie können einfach die Kordel über
die Kamera legen. (Nur sauber und trocken sollte sie an der Stelle sein.) Auch
hier gilt wieder: Kordel leicht spannen, sich selber möglichst weitgehend
entspannen.
IR-Fotografie
Fehlersuche durch Kontrollaufnahme ohne Filter
Es ist eine der unvermeidbaren Tücken der IR-Fotografie, dass die Aufnahmen
mit "Licht" gemacht werden, dass wir nicht sehen. Dieses Licht müssen
wir, um richtig belichten zu können, auch noch messen. Viele Belichtungsmesser
sind für IR ebenso blind wie ihre Besitzer, und wenn ein Belichtungsmesser
IR misst, ist immer noch die Frage, worauf Sie damit zielen. Bleibt also nichts übrig,
als den teuren und hochpräzisen Belichtungsmesser als grobes Schätzeisen
zu verstehen und, wie es im Datenblatt zu Kodaks HIE heißt, „umfangreiche
Belichtungsreihen“ durchzuführen. Dennoch misslingen IR-Aufnahmen
oft, und dann möchte man, um nicht teuren Film für nichts verschwendet
zu haben, wenigstens die Fehlerursache wissen. In diesem Zusammenhang möchte
ich einen Tipp weitergeben, für den – so ein IR-Fotografenkollege,
dessen Namen mir entfallen ist – Herr Schröder von MACO eines Tages
in den Himmel kommen könnte:
Jeder IR-Film ist auch für sichtbares Licht empfindlich. (Das ist ja der
Grund für die Filterei, siehe meine Beiträge zur IR-Fotografie unter
swmag_wollstein_13.htm, swmag_wollstein_14.htm und swmag_wollstein_19.htm.) Das lässt sich trefflich
für eine Kontrollaufnahme nutzen. Nach einer Belichtungsreihe mit Filter
nehmen Sie noch eine Aufnahme ohne Filter auf, wobei Sie den Film mit der Nennempfindlichkeit
für sichtbares Licht belichten. Wenn Sie den Film dann entwickeln, kann
Ihnen eine solche Kontrollaufnahme eine ganze Reihe von Fehlern aufzeigen,
z. B. Unterentwicklung (Entwickler überlagert?), bestimmte Kamera-Fehlfunktionen
usw. Eine solche Kontrollaufnahme ist wesentlich besser zu beurteilen als etwa
die auf dem Filmrand einbelichteten Filmnummern.
Erfahrungsgemäß können Sie bei den gängigen IR-Filmen
für ungefilterte Aufnahmen von folgenden Empfindlichkeiten ausgehen:
Film | ungefähre Empfindlichkeit für
sichtbares Licht |
Ilford SFX 2) | 200/24° |
Kodak HIE | 200/24° bis 400/27° |
Konica IR 750 | 50/18° |
MACO AURA 1) | 100/21° |
MACO CUBE 400c 2) | 400/27° |
MACO IR 750c | 100/21° |
MACO IR 820c | 100/21° |
1) Bei diesem Film handelt es
sich um MACO IR 820c ohne Lichthofschutzschicht. Er ist nur als Planfilm
und Rollfilm 120 verfügbar. 2) Diese Filme sind nur verhältnismäßig wenig in den IR-Bereich hinein sensiblisiert und daher nur eingeschränkt als „IR-Filme“ zu nutzen. |
Von der Küche in die Kamera: Alu-Folie als "IR-Lichtverstärker"
Eine unangenehme Konsequenz des Filterns mit undurchsichtigen oder fast undurchsichtigen
Filtern besteht darin, dass die nutzbare Empfindlichkeit des Films in Bereiche
abrutscht, die zwingend die Verwendung eines Stativs erforderlich machen.
So hat z.B. ein MACO IR 820c, wenn man ihn zur Erzielung eines ausgeprägten
IR-Effekts mit einen undurchsichtigen IR-Filter (z. B. RG 715) nutzt, nur noch
eine effektive Empfindlichkeit um magere ISO 12/12° herum. (Die genaue effektive
Empfindlichkeit hängt sehr vom gewünschten Effekt und der entsprechenden
Entwicklung ab.) Selbst die (für einen IR-Film) wirklich hohe Empfindlichkeit
des Kodak HIE schrumpftbei Verwendung eines 87er Filters auf Werte um ISO 50/18°.
Daher war mein Staunen groß, als ich in einem auf IR-Fotografie spezialisierten
Forum einen Thread unter der Überschrift "HIE bei ISO 1000" fand.
Der Trick dahinter ist einfach: Bei einigen Kameras kommt es bei Verwendung von
Kodak HIE zur Abbildung des Musters der Filmandruckplatte im Negativ. Das liegt
daran, dass Licht durch den Film dringt, dank des Fehlens der Lichthofschutzschicht
beim HIE auf die Andruckplatte trifft und von dieser zurück zum Film reflektiert
wird. Abhilfe schafft bei einem solchen Problem oft ein Stück schwarzes
Papier (z. B. das Schutzpapier von Rollfilmen), das über die Andruckplatte
geklebt wird. (Probieren Sie aber aus, ob es damit nicht zu eng in der Filmführung
wird! Es kann sein, dass der Filmtransport zu schwergängig wird.)
Die meist unerwünschte Reflexion an der Andruckplatte kann man aber auch
verstärken und dann nutzen: Wenn Sie die Filmandruckplatte mit Aluminiumfolie überkleben,
verstärken Sie die Reflexion. So richtig stark wird der Effekt nur bei den
Filmen sein, die keine Lichthofschutzschicht aufweisen, also besagtem Kodak HIE
und MACO AURA. (Bei den anderen Filmen verhindert die Lichthofschutzschicht,
dass noch Restlicht die Andruckplatte erreicht.) Die Reflexion an der Folie führt
zu einer Erhöhung der effektiven Empfindlichkeit und verstärkt
die Halo-Effekte deutlich.
Bevor Sie in ungebremsten Jubel ausbrechen, bedenken Sie aber folgendes:
Die Folie verstärkt nur den Kontrast (und damit die effektive Empfindlichkeit),
nicht aber die echte (durch die Schattendichte bestimmte) Empfindlichkeit, denn
schwaches Licht wird völlig von der Emulsion geschluckt und erreicht die
Andruckplatte gar nicht erst. D.h. die Schattendichte wird durch die Alu-Folie
nicht nennenswert zunehmen, also auch nicht die echte Empfindlichkeit. Aber im
Ausgleich können Sie bei gleich starkem oder stärkerem Halo-Effekt
kürzer entwickeln, was Ihnen feineres Korn einbringt.
Polaroid-Kamera im Eigenbau
Profis verwenden oft zur Kontrolle Ihrer Lichtführung ein Polaroid-Rückenteil.
Nun passt ein solches nicht an jede Kamera, und nicht jeder will sich eine ausgewachsene
Polaroid-Kamera leisten. Einen funktionierenden Ersatz kann man leicht mithilfe
eines gebraucht erstandenen Polaroid-Rückenteils aus einer für'n Appel
und 'n Ei erstandenen alten Rollfilm- oder Plattenkamera selber bauen. Mit etwas
bastlerischem Geschick lässt sich das Rückenteil an eine solche alte
Möhre ankleben.
Grüße von Herrn Schwarzschild
Bis hin zu Belichtungszeiten von 1 s ist ja alles prima: 1 Blendenschritt
schließen
= doppelt so lange belichten. Ab bei 1 s fängt es an, unangenehm zu werden.
Man muss rechnen. Die Filmhersteller geben mitunter für ihre Filme in den
Datenblättern Verlängerungsfaktoren an, die mir z.B. sagen, dass ich
bei einer Zeit von 2 s nach Belichtungsmesser tatsächlich 4 s belichten
muss, wenn ich 10 messe, tatsächlich 30 s usw. So weit, so gut. Was aber,
wenn ich jetzt auch noch Belichtungsreihen aufnehmen möchte? (Denn die Messerei
bei Nacht ist nicht ohne.) Dann muss ich für die Aufnahme mit Bl. 11, 4
s nach Belichtungsmesser mit einem anderen Faktor verlängern die mit Bl.
11, 8 s. Einfacher wird’s, wenn man statt einer Zeit-Belichtungsreihe eine
mit Hilfe der Blende aufnimmt: Ich rechne einmal aus, dass die 4 s nach Schwarzschild-Korrektur
vielleicht 10 sind, danach belichte ich mit Bl. 11, 4 s, Bl. 8, 10 s und Bl.
5,6, 10 s. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass ich die Schärfentiefe
nicht brauche. Ist Bl. 11 zwingend erforderlich, bleibt nur die Rechnerei.
Ein weiterer Pferdefuß bei den langen Belichtungen (der auch dafür
spricht, die Blende zu öffnen, und nicht die Zeit zu verlängern) liegt
darin, dass die Filme zur Aufsteilung neigen. Die Schatten sind möglicherweise
längst im Bereich so schwacher Belichtungen, dass der Schwarzschild-Effekt
in voller Stärke zuschlägt, aber die Lichter liegen noch im Bereich „ziviler“ Belichtungen.
Dann werden bei der Schwarzschild-korrigierten Belichtung die Lichter ziemlich überbelichtet.
Die meisten Langzeitaufnahmen profitieren daher von einer ausgleichenden
Entwicklung.
Wenn Sie übrigens die Datenblätter z.B. von Ilford anschauen, werden
Sie vielleicht bemerken, dass die angegebenen Schwarzschildkorrekturen für
alle Filme, vom Pan F bis hin zum Delta 3200 dieselben sind. Kodak macht es ähnlich.
Das – das wurde in einem Artikel in der Photo Techniques dieses Jahr an
Beispielen nachgewiesen – ist nicht korrekt. Moderne Filme haben dünnere
Schichten als ältere, und das ist möglicherweise der Grund dafür,
dass die Schwarzschild-Korrekturen bei modernen Filmen viel kleiner ausfallen
als bei den Vorläufern. Eindrucksvoll demonstriert das Fuji mit dem Neopan
100 ACROS, der bis einschließlich 2 min (!) Belichtungszeit keine Korrektur
benötigt. Betrachten Sie solche Tabellen also nur als Orientierung,
nicht als exaktes Wissen. Dass die Filmhersteller damit wegkommen, liegt
nur daran,
dass aufgrund der nicht ganz einfachen Messsituation kaum ein Fotograf mit
Bestimmtheit zu sagen vermag, dass der Fehler beim Filmhersteller lag und
nicht bei ihm selber.