Am Scheideweg?
Jahreswenden sind naturgemäß ein beliebter Anlass für Nabelschauen,
Rückblicke und Blicke in die Kristallkugel. Nachdem mein erster "untechnischer"
Beitrag Sie, liebe Leser, nicht davon abgehalten hat, meine Kolumne weiter zu
lesen, riskiere ich es, einen weiteren Beitrag zu veröffentlichen, der
teils Untechnisches enthält, aber auch Nachträge zu vergangenen Artikeln,
wo ich im Laufe der Zeit Neues gelernt habe. Fangen wir daher an mit der
Nabelschau
"Worüber soll ich denn schreiben?" Das war vor rund zwei Jahren
meine Frage an Herrn Löffler, als er mich ansprach und mich bat, diese
Kolumne zu schreiben. Die Antwort war einfach - für Herrn Löffler:
"Was Sie wollen." Damit hatte ich das Problem, mir geeignete Themen
zu überlegen, und ein Problem war es:
Ein meinungsmachender Kolumnist, der über Aktuelles motzt (Anspielung
gewollt), bin ich im Normalfall nicht.
Leser um Bildeinsendungen bitten, um diese dann zu zerpflücken,
das ist auch nicht so mein Ding. Um die Werke anderer zu verreißen, müsste
ich sicher sein, dass ich es besser könnte. Sorry, diese Selbstsicherheit
fehlt mir.
Meine Phantasie reichte daher nur aus, mir zunächst "Technik"
auf die Fahne zu schreiben. Das tat ich denn, und Rückmeldungen von "Wie
können Sie nur?" (Gott sei Dank nur sehr wenige) bis "Super!"
(erfreulich viele) lassen mich glauben, dass die Kolumne nicht schlecht angekommen
ist. Ich will also versuchen, weiterzumachen. Nicht immer habe ich es geschafft,
hochinteressante und tiefschürfende Artikel zu schreiben, schließlich
ist diese Kolumne ein unbezahlter Job, d.h. ich muss für meinen Lebensunterhalt
arbeiten und habe nicht immer gleich viel Zeit.
Mittlerweile (muss ein Alterseffekt sein) habe ich ab und an doch Lust, auch
einmal "untechnisch" zu werden und zum Kommentator zu werden. Damit
müssen Sie, liebe Leser, leben. Wenn's Ihnen mal gar nicht passt, schreiben
Sie mir eben eine Mail,
und wir diskutieren darüber. (Nicht, dass ich Beifall erbitte, aber ich
freue mich natürlich auch über positive Mails.)
Genug der Nabelschau. Wenden wir uns dem
Rückblick
auf das vergangene Jahr zu, diesmal bezogen auf die Entwicklung im Bereich unseres
Hobbys.
Im Jahr 2002 hat es nur wenig Neues aus dem Bereich der klassischen Fotografie
zu vermelden gegeben. Die photokina im September zeigte überdeutlich den
Trend zur Digitalfotografie, wie er sich in Zeitschriften und anderen Veröffentlichungen
schon lange zeigt. Dass es so kommen musste, war schon lange klar: Der Hauptmarkt
für die großen Firmen ist der "Consumer"-Markt, der Markt
der kleinen, möglichst schicken Knipskästen, mit denen man Statuspunkte
erntet und möglichst ohne jegliches Denken schöne - bunte - Bildchen
machen kann.
Wer will denn schon eine schwere Ausrüstung aus kompliziertem technischem
Gerät mit sich herumschleppen und sich dann auch noch in einem dunklen
Raum einsperren und Stunden mit stinkenden, ungesunden Chemikalien verbringen,
nur um Bilder zu bekommen? Der Markt dieser Masochisten ist so klein, dass immer
mehr der zugehörigen Produkte eingestellt werden.
Sicher, es gibt noch ein paar große Firmen und ein paar kleine Nischenanbieter,
die nach wie vor SW-Filme, -Papiere und -Chemie in hoher Qualität anbieten,
und - dafür müssen wir wirklich dankbar sein - es gibt sogar noch
ganz selten ein paar Neuerungen auf diesem Gebiet.
Die tollsten Neuerungen auf dem Gebiet der SW-Fotografie in dem Zeitraum, über
den sich meine Kolumne erstreckt, sind für mich folgende (Reihenfolge alphabetisch):
EPSON-Drucker mit hoch lichtbeständigen Tinten,
endlich ist die Arbeit, die man am Rechner in ein Bild steckt, nicht nach 6
bis 12 Monaten zum Teufel. Drucke des EPSON 2100 sind bis zu 75 Jahre lichtbeständig,
und die Qualität der Ausdrucke braucht den Vergleich mit konventionell
erzeugten Fotos nicht mehr zu scheuen. Inzwischen ist der bei den ersten Druckern
dieser Art auftretende Metamerismus kein Problem mehr, und genau wie die ersten
kontrastvariablen Papiere - denen man auch nachsagte, dass sie für ernsthafte
Fotografen zu schlecht seien - haben die Papier/Tinte-Kombinationen inzwischen
so weit aufgeholt, dass die Maximaldichte von Digitaldrucken heute schon so
hoch ist, dass eine Menge silberbasierte SW-Papiere sie nicht erreichen.
Digitalkameras mit vollformatigem (KB-großem) CCD-Array,
bei denen mein geliebtes 28er-Shift-Weitwinkel nicht zu einem Shift-Normalobjektiv
degradiert. Leider sind die ersten Modelle (m.W. zuerst von Contax auf den Markt
gebracht, jetzt von Kodak aufgegriffen) noch recht teuer (rund EUR 7000).
MACO CUBE 400 c,
ein einzigartiger Film hinsichtlich Emulsionsstruktur (drei Schichten), Träger
(PE, archivfest) und Sensibilisierung (erweiterte Rotempfindlichkeit).
MACO IR-Filme, besonders MACO IR 820c,
endlich Konkurrenz für Kodak, und noch dazu feineres Korn.
MACO PO 100c,
der einzige Film mit orthopanchromatischer Emulsion und extrem hoher Auflösung
für einen Film dieser Empfindlichkeitsklasse.
MACO TP 64c,
MACOs Konkurrenzprodukt zum Kodak Technical Pan und Agfa Copex Rapid. Ob der
Anspruch stimmt, kann ich derzeit noch nicht sagen, da ich bisher nur mit LP-Chemie
testen konnte. Damit ist es ein Film mit ultrafeinem Korn und weicher Gradation.
Ich hoffe, in nicht zu ferner Zeit auch mit SPUR testen zu können.
SPUR HRX Entwickler,
der zusammen mit z.B. Ilford Delta 100 Negative ergibt, die schon an Mittelformatqualität
erinnern.
SPUR Nanospeed Entwickler zusammen mit Agfa Copex Rapid,
eine Filmkombination, die hinsichtlich Auflösung kaum zu schlagen ist und
die erheblich nutzerfreundlicher ist als der Hauptkonkurrent Kodak Technical
Pan.
SPUR SLD Entwickler,
der Speed Limit Developer, der aus hochempfindlichen Filmen das Optimum an Empfindlichkeit
herausholt und dabei scharfe Negative mit angenehmer Gradation liefert.
Was habe ich dazugelernt?
Gehen wir die Artikel chronologisch durch:
11/2000, Kornscharfsteller:
Das Problem dürfte unverändert der Anlass für manches graue Haar
sein, da man nicht gleich drauf kommt, in dieser Richtung zu suchen. Geändert
hat sich nichts.
12/2000, Schnelle Zweibadfixage
und kurze Wässerung:
Ich rede mir immer noch den Mund fusselig, um allen die Verdienste der Zweibadfixage
nahe zu bringen (siehe auch 07-08/2001 und 10/2001). Einbadfixage kann
- das liegt in Naturgesetzen begründet - allerhöchstens bei ganz geringer
Ausnutzung der Bäder richtig ausfixierte Bilder liefern.
Zur kurzen Wässerung möchte ich zwei Dinge nachtragen:
1) Ich hatte im Laufe der Zeit ein paar Mal den Eindruck, dass Soda als Wässerungshilfe
für einen nach dem Trocknen sichtbar werdenden milchig-grauen Belag verantwortlich
war, wenn Bilder in Selentoner behandelt wurden und das Waschwasser relativ
hart war. Wer also häufig mit Selentoner tont, dem sei statt 1%iger Sodalösung
2%ige Natriumsulfitlösung ans Herz gelegt. Sie ist sogar noch wirksamer
als Sodalösung, da die Sulfitionen Thiosulfationen durch Ionenaustausch
aus dem Bild verdrängen.
2) Die Anwendung einer Wässerungshilfe wird eminent wichtig, wenn die Waschtemperatur
niedrig ist, z.B. bei kälterem Leitungswasser im Winter. Sie macht den
Effekt der Temperatur mehr als wett.
01/2001, Haltbarkeit von PE- und
Barytpapier:
Da gibt es keine neuen Erkenntnisse. Für Agfas Sistan wird seit einiger
Zeit beim IPI, dem Image Permanence Institute, einer neutralen Institution,
ein Test der Wirksamkeit durchgeführt.
02/2001, Blendenschritte bei Probestreifen:
Ich bleibe dabei!
03/2001, Archivfeste Tonungen:
Keine neuen Erkenntnisse, außer zu Agfa Sistan, siehe 01/2001.
04/2001, Negativ-Vorbelichtung:
Sollte man unbedingt einmal ausprobieren, spätestens, wenn der Motivkontrast
mehr als 10 Blendenstufen beträgt.
05/2001, Schärfentiefe-Optimierung:
Auch das gilt unverändert: Nutzen Sie optische Gesetzmäßigkeiten
und vertrauen Sie nicht blind der auf Ihr Objektiv gedruckten Schärfentiefenskala,
zumal, wenn Sie gar nicht wissen, welche Kriterien (Streukreisdurchmesser) ihr
zugrunde liegen.
06/2001, Flecken auf Negativen
und Bildern vermeiden:
Nichts Neues. Die Salatschleuder hat viele neue Anhänger gefunden.
07-08/2001, Fixieren:
Sagen wir es noch einmal: Wer seine Fotos liebt, fixiert in zwei Bädern.
Alles andere ist Humbug.
09/2001, Licht in der Duka:
Nichts Neues.
10/2001, Negativverarbeitung:
Auch "alte Hasen" machen viel falsch.
11/2001, Lith-Printing:
Immer mehr mein Lieblingsverfahren. Probieren Sie's, aber ich übernehme
keine Haftung für die immanente Suchtgefahr.
12/2001, 01/2002, und 06/2002,
Infrarot-Fotografie:
Auch etwas, das man unbedingt probieren sollte. Und zusammen mit Lith-Printing
einfach unschlagbar!
03/2002, Passepartouts schneiden:
Bilder brauchen eine gemäße Umgebung. Passepartouts selber zu schneiden
ist einfacher als Sie vielleicht gedacht haben.
04/2002, Ausrichtung des Vergrößerers:
Ein oft unterschätztes und vernachlässigtes Problem.
Nachzutragen wäre hier vielleicht, dass es natürlich auch die Methode
gibt, den Vergrößerer mittels eines Spiegels in der Negativebene
auszurichten. Das Verfahren ist sicher genauer als das von mir im Artikel beschriebene,
aber auch nicht ganz einfach. Versalab bietet ein Laser-Ausrichtungsgerät
an, das nach diesem Verfahren funktioniert und nicht ganz billig ist.
05/2002, Analog oder digital?
Die Antwort ist für mich einfach: Beides!
07-08/2002, "Zonensystem"
für Papier:
Nichts nachzutragen.
09/2002, Stativ:
Hier ist vielleicht gerade die Tatsache nachzutragen, dass mir keine
neuen Erkenntnisse vorliegen. Ich hatte im Nachgang zu diesem Artikel eine technische
Anfrage an mehrere Stativhersteller (Berlebach, Gitzo, Manfrotto, Velbon) gerichtet,
aber nicht einer sah sich in der Lage, sie zu beantworten. Kundenfreundlichkeit
in höchster Form!
10/2002, persönliche An- und
Einsichten:
Die sind naturgemäß wandelbar, aber nicht ganz so schnell.
11/2002, meine besten Film/Entwickler-Kombinationen:
Noch ziemlich kurz zurück liegend, daher nichts Neues.
12/2002, Ansatz von Fotochemie:
Nun ja. So etwas Grundlegendes ändert sich nicht.
01/2003, dieser Artikel:
Ich hoffe, Sie fanden ihn lesenswert und hoffe, dass ich Ihnen auch in Zukunft
noch Interessantes bieten kann. Wie eingangs erwähnt, werde ich ab und
zu auch einmal wieder untechnisch werden und einfach meinen Senf zu bestimmten
Dingen abgeben, und wer Hilfe bei technischen Problemen sucht, gleich ob er
Anfänger oder Fortgeschrittener ist, oder wer gerne einmal ein Bild zerpflückt
haben möchte, mag mich auch ansprechen, aber im Trend wird dies sicher
eine technische Kolumne bleiben.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen nach hoffentlich erholsam verbrachten
Feiertagen einen guten Start ins neue Jahr und für 2003 alles Gute.