Fest auf dem Boden der Tatsachen
Tipps und Tricks zur Vermeidung von Verwacklung und Verreißen
Wohl jeder,
der fotografiert, kennt die alte Regel, der zufolge Verschlusszeiten bis längstens "1 durch
Brennweite in Millimeter"
keines Stativs bedürften.
Bei meinem 58-mm-Objektiv hieße das, dass Belichtungszeiten von 1/60 Sekunde
und kürzer zu scharfen Bildern führen müssten.
Ganz falsch ist diese Regel nicht, man muss sich nur immer bewusst sein, dass
sie eben nur eine Daumenregel ist. In den meisten Fällen bekommen
Sie bei ruhenden oder sich nicht zu schnell bewegenden Motiven akzeptable
Aufnahmen hin, wenn Sie sich an diese Regel halten und beim Auslösen ein
bisschen vorsichtig sind.
Aus dem Gesagten geht schon hervor, dass es zwei Einflussgrößen gibt,
die zu bewegungsbedingter Unschärfe führen können, nämlich
1. Bewegung im Motiv (nicht nur Sport- und Actionaufnahmen,
sondern auch Vegetation im Wind, Wasser usw.) und
2. Kamerabewegung (Aufnahmen aus Autos, von Schiffen, Pontons,
Brücken (!), unruhige Hand usw.).
Für Punkt 1 gilt die genannte Faustregel überhaupt nicht. Sie betrachtet
eigentlich nur einen Teilaspekt von Punkt 2, nämlich die unruhige Hand.
Im Zuge dieses Beitrags werden wir allerdings versuchen, möglichst viele
der angesprochenen Quellen von Bewegungsunschärfe anzusprechen.
Anmerken sollte man auch noch einmal, dass diese Regel ähnlich wie Tiefenschärfeskalen
mit einem bestimmten Vergrößerungsmaßstab bzw. Verhältnis
von Vergrößerungsmaßstab und Betrachtungsabstand der Bilder
im Sinn aufgestellt wurde. Bei größeren Negativformaten können
Sie sich bei gleichem Positivformat größere Unschärfen
erlauben, weil der Vergrößerungsmaßstab kleiner ist, bei kleineren
müssen Sie entsprechend strenger sein. D.h. Sie müssen die Brennweite
auf ihr KB-Pendant umrechnen. Eine Tabelle mit ungefähren Umrechnungsfaktoren
finden Sie am Ende des Artikels. Bei gleichem Vergrößerungsmaßstab
darf man die Regel unmodifiziert anwenden.
Bewegung im Motiv
Sport und Action
Bei Sport- und Actionaufnahmen müssen Sie zwischen Schärfentiefe und
Verschlusszeit abwägen. Vom Standpunkt der Bewegungsunschärfe her
wäre die kürzestmögliche Verschlusszeit wünschenswert. Allerdings
kommt es auf die Richtung der Bewegung an und auch darauf, ob sich das Motiv
in allen seinen Teilen gleichmäßig bewegt.
Zu abstrakt formuliert? Wenn z.B. ein Fußballspieler gegen den Ball tritt,
bewegt sich der größte Teil seines Körpers viel weniger schnell
als der Fuß, welcher den Ball tritt. Wollen Sie alles scharf haben, müssen
Sie also die Verschlusszeit nach der schnellsten Bewegung ausrichten. Wollen
Sie dagegen die Bewegung auch als Bewegung, d.h. mit einer gewissen - gewollten
- Unschärfe, darstellen, können Sie eine längere Verschlusszeit
wählen, die den Oberkörper und Kopf des Spielers scharf lässt,
aber seinen sich rasant bewegenden Fuß verwischt. Einen allgemein gültigen
Wert für die jeweils magische Zeit, bei der das funktioniert, kann ich
Ihnen allerdings nicht nennen. Probieren Sie es für die Sie interessierenden
Situationen aus, um einen Erfahrungsschatz zu sammeln. Im Trend gilt wieder:
Längere Brennweiten brauchen kürzere Belichtungszeiten.
Weiter ist die Richtung der Bewegung relativ zur Kamera wichtig: Wenn Sie beim
Einlauf in die Zielgerade die Sprinter fotografieren, während sie auf die
Kamera zu laufen, sieht die Kamera viel weniger Bewegung als wenn Sie quer zur
Laufrichtung fotografieren. Im erstgenannten Fall können Sie sich also
eine viel längere Verschlusszeit leisten. Abgestuft gilt das bei Bewegungen
schräg zur Aufnahmerichtung.
Letztendlich - das kam schon in der Daumenregel heraus - spielt auch die Objektivbrennweite
eine Rolle. Ein Teleobjektiv vergrößert nicht nur alle Details des
Motivs, sondern auch dessen Bewegung. (Die des Fotografen auch, aber dazu kommen
wir später.)
Nach meiner Erfahrung (die allerdings bei Sportaufnahmen nicht so reichhaltig
ist, da das nicht meine Lieblingsmotive sind) kann man beim 5fachen der Brennweite
in Millimeter von ziemlich scharfen Aufnahmen ausgehen, optimal ist das 10-
bis 20fache, also z.B. bei einem 50-mm-Objektiv 1/250 s, besser 1/500 bis 1/1000,
bei einem 200er Teleobjektiv sind die Werte entsprechend 1/1000 bis 1/4000.
Damit wird klar, dass Sie für solche Aufnahmen in aller Regel besser mit
einem etwas empfindlicheren Film an den Start gehen. Aus meiner Sicht ist ISO
400/27° eine meist vernünftige Wahl.
Landschaft
Auch bei Landschaftsaufnahmen kommt Bewegung im Motiv vor, z.B. durch Wind,
der die Blätter und Zweige bewegt, oder in Form sich bewegenden Wassers.
Bei den sich bewegenden Blättern kann die Bewegungsunschärfe insbesondere
dann akzeptabel sein, wenn es genug scharfe, d.h. feste, ruhende, Bildelemente
gibt und wenn diese die eigentlich wichtigen Bildelemente sind.
Beim Wasser kann sie sogar gewünscht sein, um z.B. bei Wasserfällen
oder schnell fließenden Bächen das Wasser als lebendiges, fließendes
Element darzustellen. In diesem Fall brauchen Sie allerdings schon recht lange
Verschlusszeiten. Nach meinem Geschmack fängt der interessante Bereich
bei 1/4 s als kürzester Zeit an. Um bei solchen Fotos mit Verschlusszeiten
ab 1 s dem Reziprozitätsfehler (oder Schwarzschildeffekt) aus dem Weg zu
gehen, macht es oft Sinn, statt einer einzigen Belichtung von 1 s eine evtl.
vorhandene Mehrfachbelichtungsfunktion zu nutzen und 8 x 1/8 s zu belichten.
Die Darstellung des Wassers in beiden Fällen ist auch ohne Reziprozitätsfehler
nicht ganz dieselbe: Die Mehrfachbelichtung hat oft etwas mehr Biss.
Kamerabewegung
Tief durchatmen:
Kamera (mehr oder weniger) in der Hand
Sportschützen wissen: Der Puls des Menschen schlägt nicht immer gleich
schnell. Damit ist nicht der beschleunigte Puls bei und nach Anstrengung gemeint,
sondern die Änderung der Pulsfrequenz innerhalb eines Atemzyklus. Wenn
Sie ruhig und entspannt atmen und Ihren Pulsschlag beobachten, werden Sie bemerken,
dass die einzelnen Schläge kurz nach dem Ausatmen mit längeren Pausen
aufeinander folgen als während des Einatmens. Eine solche längere
Pause nutzen Präzisionsschützen, um den Schuss auszulösen, und
wir können diesen Effekt auch als zusätzliche Vorkehrung gegen Verwacklung
nutzen.
Wo liegt der Grenzbereich für aus der freien Hand haltbare Zeiten? Die
eingangs zitierte Daumenregel ist - das sagte ich bereits - nicht schlecht.
Ich hatte aber auch die Einschränkung gemacht, dass die so geschossenen
Aufnahmen nur akzeptabel scharf sind. Wenn die Möglichkeit besteht,
dass ich ein Foto etwas größer als nur bis 13 x 18 cm vergrößern
möchte, gehe ich i.d.R. lieber auf Nummer Sicher und nutze kürzere
Zeiten als die nach der Daumenregel ermittelten. Ich fühle mich sicher,
wenn ich bei einem 50-mm-Objektiv mit 1/250 s aus der Hand fotografiere, bei
längeren Brennweiten mit entsprechend kürzeren Zeiten.
Andererseits habe ich auch schon (wieder bezogen auf 50 mm Brennweite) 1/30
und sogar 1/8 s gehalten und Bilder erzielt, die sich sogar recht groß
vergrößern lassen. Wahrscheinlich habe ich da einfach Glück
gehabt. Verlassen werde ich mich darauf nicht, aber ich werde auch nicht auf
die Aufnahme unter schlechten Bedingungen verzichten, bloß weil die Möglichkeit
besteht, dass sie unscharf wird.
Was tun, wenn´s nicht anders geht, wenn also kein Dreibeinstativ benutzt
werden kann oder man keines dabei hat? Es gibt ein paar einfache Dinge, die
Ihnen helfen können, nämlich
1. die oben besprochene günstige Atmung,
2. Aufstützen, Anlehnen und Einbeinstative,
3. günstige Kamera- und Körperhaltung und schließlich
4. Behelfsstativ und doch nicht zu schwer zu tragen: das Taschenstativ.
5. nur der Vollständigkeit halber: das Schulterstativ
Zu 1. brauche ich nichts mehr zu sagen.
Zu 2.: Auch wenn es uns nicht auffällt, ist unser "Stehen" doch
eine unablässige Folge von Ausgleichsbewegungen. Eine Kamera "sieht"
diese bei hinreichend langer Belichtungszeit. Schon wenn Sie sich an einer Wand
oder Mauer anlehnen, sinkt das Verwacklungsrisiko erheblich. Wenn Sie gar Ihre
Kamera gegen ein solides Objekt halten oder auf eine Mauer stellen können,
steigen Ihre Chancen auf unverwackelte Bilder weiter. Am günstigsten ist
es dabei, wenn die Kamera flächig oder an drei Punkten anliegt, denn dann
wippelt sie auch nicht mehr hin und her.
Das Zauberwort heißt hier "Freiheitsgrade": Liegt die Kamera
mit einem Punkt an, also etwa auf einer Spitze eines Steins, so kann Sie noch
in ziemlich vielen Richtungen wackeln, wenn auch weniger als wenn Sie sie nur
in der Hand halten. Liegt sie mit zwei Punkten oder entlang einer Linie an,
z.B. an einer Häuserecke, so kann sie noch in einer Richtung kippeln. Liegt
sie schließlich flächig an oder mit drei Punkten, so liegt sie fest.
So können Sie mit etwas Vorsicht sogar ausgedehnte Zeitbelichtungen ohne
Stativ tadellos hinbekommen.
Ein Grenzfall, den man hier auch nennen sollte, sind Einbeinstative. Viel brauche
ich dazu nicht zu sagen. Ich schätze meines sehr für Ballettaufnahmen,
denn es stützt die Kamera, wenn die Verschlusszeiten bei dem spärlichen
Licht länger werden, und es entlastet meine Arme vom Gewicht des lichtstarken
und daher schweren Teleobjektivs während der längeren Vorstellungen.
Trotzdem gibt es mir noch eine ganze Menge mehr Bewegungsfreiheit als ein Dreibein.
Zu 3.: Digitalfotografie hat ihre Vorzüge. Einer davon ist der, dass man
sich eher einmal traut, ein Foto zu versieben, weil man's ja einfach wieder
löschen kann. Film wird dabei nicht verschwendet. Ein weiterer Vorzug besteht
darin, dass man sich die Resultate sofort ansehen kann. So habe ich gemerkt,
dass ich mit der Kamera vor dem Bauch viel längere Zeiten aus der Hand
halten kann als in der üblichen, unergonomischen Knippshaltung mit Kamera
vor der Nase. Kameras mit Schachtsucher oder eben Digicams, bei denen man von
oben auf das Display schauen kann, erlauben also in dieser günstigeren
Haltung längere Zeiten.
Ganz ungünstig sind zu kleine Kameras, an denen die "Wurstfinger"
kaum Halt finden und die zudem noch leicht sind.
Günstig ist Masse. Eine schwere Kamera benötigt auch mehr Kraft, um
zu schwingen. Der Effekt schlägt allerdings da um, wo das Gerät so
schwer wird, dass Sie es nicht mehr entspannt halten können.
Auch die Lage des Schwerpunktes relativ zum Griff ist wichtig: Versuchen Sie
einmal, eine Kamera mit einem lichtstarken Tele am Gehäuse zu halten. Sie
können sie viel besser ruhig halten, wenn der Schwerpunkt zwischen Ihren
Händen angeordnet ist.
Allgemein gilt: Je entspannter Ihre ganze Haltung, desto weniger wackeln Sie.
Stehen Sie z.B. mit halb gebeugten Beinen, um Ihren Aufnahmestandpunkt ein paar
Zentimeter nach unten zu verlagern, wackeln Sie i.d.R. erheblich mehr als wenn
Sie bequem stehen. Noch schlimmer wird's beim Knien oder gar auf Zehenspitzen.
Also: Bleiben Sie locker!
Zu 4.: Eines meiner liebsten Utensilien ist ein solides Taschenstativ: viel
leichter als ein "richtiges" Stativ, viel kleiner (ungefähr von
der Größe einer Taschenlampe) und enorm nützlich. Ich glaube,
ich verdanke diese Anregung Günter Spitzing, dessen Bücher ich immer
gern gelesen habe. Mit einem solchen Ding habe ich schon die dollsten Dinger
gedreht, so z.B. scharfe Aufnahmen von Gekkos nahe einer an einer Häuserwand
angebrachten Straßenlampe in Arles (Provence) mit einem 300-mm-Tele mit
1/4 s vom Dach eines geparkten Autos. Der Kugelkopf des Taschenstativs erlaubt
es, praktisch jede Häuserwand oder andere nicht ganz unebene Fläche
in Motivnähe zum Anlehnen oder Aufstützen zu nutzen. Wenn Sie mit
der linken Hand das Taschenstativ einigermaßen fest gegen die Wand pressen
und mit der rechten vorsichtig auslösen (vielleicht sogar mit einem Drahtauslöser),
können Sie ohne schweres Stativ Zeiten hinbekommen, von denen Sie sonst
nur träumen können.
Allerdings muss es - wie oben betont - ein einigermaßen stabiles Taschenstativ
sein. (Das wird immer noch viel leichter sein als ein Dreibeinstativ.)
5. So genannte Schulterstative, Vorrichtungen, mit deren Hilfe man die Kamera
beim Fotografieren wie ein Gewehr an die Schulter hebt, habe ich nicht als große
Hilfe empfunden. Zwar ist es damit leichter, eine Kamera mit schwerem Teleobjektiv
etwas ruhiger zu halten, und man ist beweglicher als mit einem Dreibein, aber
ein Einbeinstativ bietet bei größerer Wirksamkeit gegen Kamerabewegungen
zusätzlich den Vorteil, dass es das Gewicht der Kamera trägt und schränkt
nach meinen Erfahrungen die Beweglichkeit auch nicht wesentlich mehr ein.
Wie
der Fels in der Brandung?
Die Kamera auf dem Stativ
Die Belichtungszeit ist zu lang, um sie aus der Hand zu halten, also kommt die
Kamera auf´s Stativ. Alles klar, keine Probleme mehr. Oder doch?
Und ob! Eine Reihe von Faktoren sorgen dafür, dass auch eine Kamera auf
einem Stativ wackelt:
1. Trivial: ein instabiles Stativ,
2. oft nicht bemerkt: "weicher" Boden,
3. unterschätzt: Wind,
4. meist übersehen: der Spiegelschlag bei Spiegelreflexkameras
und
5. zu guter Letzt: der Fotograf als Schwingungsquelle.
Zu 1.: Die so genannten Reisestative, die vor 30 Jahren die üblichen Stative
für Freizeitfotografen waren, deren Beine aussahen wie etwas dickere Teleskopantennen
von Transistorradios, sollten Sie lieber vergessen. Sie taugen nur in drei Fällen
etwas: mit ganz zusammengeschobenen Beinen (Dann ist ein gutes Taschenstativ
besser.) oder bei Selbstauslöseraufnahmen, bei denen es nicht auf die Stabilität
der Kamerahalterung ankommt, wo also die Verschlusszeit kurz ist und das Stativ
nur den freundlichen Helfer ersetzt, der uns die Kamera hält. Der dritte
Nutzen? Man kann sie als Briefbeschwerer verwenden.
Ein anständiges, d.h. wirksames Stativ ist schwer und steif. Da hilft nichts.
Moderne Werkstoffe wie Carbonfasermaterialien mögen das Gewicht etwas reduzieren,
aber ein schwereres Stativ wird praktisch immer weniger schwingen als ein leichteres.
Steif muss ein Stativ sein, damit es nicht mit niedriger Frequenz und großer
Amplitude schwingt und ewig lange braucht um auszuschwingen, nachdem Sie es
aufgestellt haben. Innere Dämpfung dient ebenfalls dazu, die Schwingungsanregung
zu erschweren und das Abklingen von Schwingungen zu begünstigen.
Wenn Sie also jetzt in den Laden gehen, um für Ihre nächste Reise
ein Stativ zu kaufen, kaufen Sie das schwerste und steifste, das Sie lange genug
tragen können und wollen (Denken Sie dabei auch an das Gewicht der restlichen
Ausrüstung!), denn ein Stativ, das zu schwer zum Mitnehmen ist, ist ungefähr
so wirksam wie kein Stativ.
Stative mit Mittelsäule sind eine tolle Sache, aber nur, wenn man die Mittelsäule
nur nutzt, um sie bei Bedarf umgekehrt ins Stativ einzusetzen, nicht etwa zur
Vergrößerung der Höhe, denn die Mittelsäule mit der relativ
großen Masse der Kamera am Ende wirkt wie ein langes Federpendel. Mit
einem billigen Laserpointer kann man das leicht testen: Montieren Sie den Laserpointer
(z.B. mit Klebeband) an der Kamera, und zwar am besten in der Weise, dass er
grob parallel zur Objektivachse ausgerichtet ist. Stellen Sie die Kamera ein
paar Meter vor einer Wand auf. Je größer die Entfernung, desto größer
der Ausschlag des Pointers, wenn die Kamera wackelt. Schalten Sie nun den Pointer
auf Dauerlicht und lassen Sie Ihre Kamera bei verschiedenen Auszugshöhen
der Mittelsäule per Selbstauslöser auslösen. Nutzen Sie die Laufzeit
des Selbstauslösers, um zur Wand zu gehen, auf die der Laserpunkt projiziert
wird und beobachten Sie, was der Punkt macht.
WARNHINWEIS! |
Sie werden Folgendes sehen:
Je weiter der Auszug,
a) desto größer die Schwingung, und
b) desto länger braucht sie zum Abklingen.
2. Das stabilste Dreibein ist witzlos, wenn Sie es auf einer viel befahrenen
Brücke aufstellen oder wenn Sie auf dem Parkettboden oder weichen Waldboden,
auf dem es steht, bei der Aufnahme zuviel "hampeln". Dass ein Stativ
im, am oder auf dem Auto nur etwas bringt, wenn der Motor aus ist, und dass
ein Auto dank seiner Federung leicht durch Bewegungen der Insassen zum Schwingen
zu bringen ist, brauche ich wohl gar nicht mehr zu erwähnen.
3. Wind, der über eine mäßige Brise hinausgeht, wird auch Ihre
auf dem Stativ montierte Kamera zum Schwingen bringen. Abhilfe schafft Masse.
Mein Patentrezept besteht darin, mein Stativ mit meinem Kamerarucksack (in meinem
Fall immerhin mindestens 10 kg) zu beschweren. Ich hänge einfach den Rucksack
mit der Trageschlaufe an die Mittelsäule. Das beschwert die gesamte Konstruktion
so weit, dass es schon arg pusten muss, um sie zu erschüttern. (Auch dies
können Sie mit dem Laserpointer testen.)
4. Spiegelreflexkameras sind nicht nur (vergleichsweise) laut, sie wackeln auch
ganz gewaltig, wenn der Spiegel hochklappt. Das ist auch kein großes Wunder,
muss der Spiegel doch nach dem Drücken des Auslösers möglichst
augenblicklich aus dem Strahlengang entfernt, also stark beschleunigt und dann
ziemlich abrupt wieder gebremst werden. Wo etwas schnell bewegt wird, muss eine
große Kraft übertragen werden, und die ruft eine Gegenkraft hervor.
(Der Rückstoß bei Schusswaffen entsteht so.) Der Spiegel stößt
sich beim Hochschwingen an der Kamera ab, und die Kamera wackelt. Dann schlägt
der Spiegel oben an, und die Kamera wackelt wieder. Und genau während dieser
Wackelei geht der Verschluss auf!
Die Erfahrung zeigt, dass der Spiegelschlag sich besonders im Bereich der Verschlusszeiten
im Bereich von 1/8 bis 1/60 s schärfemindernd bemerkbar macht. Bei Zeiten
ab 1 s und länger oder 1/125 s und kürzer ist er i.d.R. kein Problem
mehr, im ersten Fall, weil die Wackelei nur während eines Bruchteils der
Belichtungszeit noch wirksam ist, im zweiten, weil die Zeit kurz genug ist.
Bei 1/60 und in Grenzen bei 1/30 s kann es auch reichen, wenn Sie nicht per
Drahtauslöser (s.u.) auslösen, sondern die Kamera beim Auslösen
fest (nicht so fest, dass Sie zittern, es kommt nur auf die dämpfende Masse
an) umfassen.
Günstiger ist aber eine Spiegelvorauslösung. Manche Kameras erlauben
es, den Spiegel nach der Ausrichtung der Kamera unabhängig von der Verschlussauslösung
hochzuklappen und dann zeitlich entkoppelt auszulösen. Bei anderen wird
der Spiegel zu Beginn der Laufzeit des Selbstauslösers hochgeklappt, und
bis zum Auslösen des Verschlusses sind eventuelle Schwingungen abgeklungen.
Beides ist von der Schärfe her praktisch gleichwertig, nur einen Vorteil
haben die Kameras mit vom Selbstauslöser entkoppelter Spiegelvorauslösung:
Bei ihnen passiert es Ihnen nicht, dass genau in den 10 s zwischen Auslösung
des Spiegels und eigentlichem Foto jemand ins Bild latscht.
Auch die Spiegelvorauslösung lässt sich nach der oben beschriebenen
Methode testen.
5. Was bei handgehaltener Kamera gilt, stimmt auch hier: Die Lage des Schwerpunktes
ist entscheidend: Am günstigsten ist es i.A., wenn das Stativ unterhalb
des Schwerpunktes stützt. Schwere und lange Teleobjektive sollten zu diesem
Zweck ein eigenes (möglichst drehbares) Stativgewinde aufweisen, auch damit
nicht das arme Gehäuse das Gewicht des dicken Klotzes tragen muss.
6. Eigentlich wollte ich zum Thema Drahtauslöser gar nichts sagen, so selbstverständlich
war es für mich, dass man entweder einen solchen oder aber den Selbstauslöser
benutzt, um nicht selbst der ärgste Feind der Schärfe zu werden. Aber
dann fielen mir doch einige Warnhinweise ein:
Ein Drahtauslöser ist um so wirksamer, je länger er ist. Drahtauslöser
mit einer Länge von 10 cm oder gar noch weniger sind witzlos.
Ein Drahtauslöser ist ebenfalls witzlos, wenn er unter Spannung steht.
Er muss, um wirken zu können, locker durchhängen.
Wenn Sie eine Zeitbelichtung durchführen, sollten Sie es vermeiden, den
Drahtauslöser gleich nach dem Auslösen und Feststellen fallen zu lassen
wie eine heiße Kartoffel. Das gibt einen kleinen, aber unnötigen
Ruck. Einen weiteren erzeugen Sie, wenn Sie ihn nach Ablauf der nötigen
Zeit unvorsichtig wieder in die Hand nehmen. Halten Sie ihn während der
ganzen Zeit locker in der Hand und stehen Sie schön still.
7. Köpfchen! Beinahe hätte ich's vergessen: Ein Stativ ist nur so
gut wie sein Kopf. Die Stative namhafter Hersteller werden oft kopflos angeboten,
da es für verschiedene Anwendungsbereiche und Vorlieben verschiedene Köpfe
gibt. Der Kopf des Stativs muss bei einer schweren Kamera ein großes Drehmoment
aufnehmen, sollte also solide sein.
Prinzipiell werden zwei Bauarten unterschieden:
Kugelköpfe und
Neiger.
Erstere haben ein einziges "Bedienelement", mit dem Sie den Kopf feststellen
oder lösen. Ist er einmal gelöst, ist er in allen Richtungen beweglich.
I.A. werden solche Köpfe für solche Anwendungen empfohlen, wo die
Kamera bei aller Fixierung noch recht beweglich bleiben muss, z. B. Sport- und
Actionfotografie. Weniger empfohlen werden sie für Architekturaufnahmen,
denn wenn Sie Ihre Kamera mit der Wasserwaage für eine Architekturaufnahme
genau ausrichten, ist es einfacher, wenn Sie jede Drehrichtung einzeln freigeben
und blockieren können.
Ich persönlich fotografiere in der Hauptsache Architektur und Landschaft
und nutze trotzdem einen Kugelkopf, denn Neiger sind i.A. wegen teilweise weit
hervorstehender Griffe voluminöser und transportunfreundlicher. Daran,
dass ein Kugelkopf die Kamera gleich für alle Richtungen freigibt, habe
ich mich gewöhnt.
Es gibt spezielle Kugelköpfe (z. B. Manfrotto Grip Action), bei denen ein
Pistolengriff gedrückt wird, um die Kamera drehbar zu machen. Wenn man
loslässt, wird sofort arretiert. Ich persönlich würde diese nur
empfehlen, wenn man diese Funktionalität wirklich braucht, denn ich halte
die Konstruktion mechanisch für nicht optimal: Die Kugel sitzt unterhalb
des rund 15 cm langen Pistolengriffs, was bedeutet, dass die schwere Kamera
am Ende eines langen Hebels sitzt. Dieser Hebel vergrößert das auf
den Kugelkopf wirkende und von diesem zu haltende Drehmoment. Das kleinste bisschen
Elastizität oder Spiel im Kugelkopf wird durch den Hebel vergrößert.
Bei Neigern, das klang implizit schon an, gibt es drei Bedienelemente: eines
gibt Schwenks in der Horizontalen frei, das zweite auf- und abwärts, und
das dritte Drehungen um die Aufnahmeachse. Der Vorteil liegt darin, dass das
Ausrichten der Kamera bei Architekturaufnahmen einfacher ist, weil sich die
Ausrichtung in den beiden anderen Richtungen nicht verändert, während
man an der dritten herumwerkelt. Der Nachteil, der solche Geräte für
Sport- und Actionaufnahmen praktisch disqualifiziert, besteht darin, dass Sie
immer mehrere Handgriffe vornehmen müssen, wenn Sie die Ausrichtung der
Kamera in mehr als einer Richtung ändern wollen. Ein weiterer Nachteil
sind die meist größeren Abmessungen der Köpfe.
Ein frei schwebendes "Luftstativ":
der Kreisel!
Mehr als interessante Randnotiz sollte man noch den Kreisel erwähnen, ein
"Stativ" für Fälle, wo die Aufstellung eines Stativs auf
dem Boden keinen Sinn macht, also z.B. in Autos und Flugzeugen oder auf Booten
sowie bei Fotos an Stellen, wo man aufgrund beengter räumlicher Verhältnisse
(Kirchtürme, Brückenpfeiler, Windenergieanlagen) keinen Platz hat,
ein Stativ aufzustellen. Mir fällt hier auch gleich die Regelung in Italien
ein, wo man in praktisch jeder Kirche fotografieren darf, nur eben nicht mit
Stativ.
Das magische Hilfsmittel ist ein Kreisel. Leider sind solche Geräte so
teuer, dass ihre Anschaffung, ja selbst das Mieten, für einen Amateur praktisch
nicht in Frage kommt.
In der Ausgabe September/Oktober 2001 Photo Techniques wird über diese
Vorrichtung berichtet.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser, im Physikunterricht von
der stabilisierenden Wirkung eines Kreisels gehört zu haben. Man kann sie
ausnutzen, indem man einen hinreichend massiven (3 bis 4 kg), durch einen Elektromotor
zu schneller Rotation angetriebenen Kreisel fest mit der Kamera verbindet. Die
Kreiselwirkung sorgt dafür, dass - so wird in dem zitierten Artikel berichtet
- auch Aufnahmen aus Booten bei einer Geschwindigkeit von rund 60 km/h bei 1/15
s knackscharf werden. (Die Brennweite wird leider nicht erwähnt, war aber
vermutlich deutlich länger als 50 mm. ) Für Aufnahmen mit 300 mm Brennweite
aus dem Flugzeug wird ein Limit von 1/125 s angegeben. Schon beachtlich, nicht
wahr? Schade, dass so ein Ding ab 2000 EUR aufwärts kostet!
Klick und fest - Schnellkupplungen
Die Bereitschaft zur Benutzung eines Statives steigt mit dessen Handhabungsfreundlichkeit.
Sie glauben gar nicht, wie sehr mir die ständige Schrauberei auf den Nerv
ging, wusste ich doch, dass im Hintergrund meine Tochter und meine Frau auf
mich warteten. Es mag nicht billig sein, aber leisten Sie sich Schnellkupplungen,
sinnvollerweise für jedes Gehäuse und jedes Teleobjektiv eine. Bei
einer guten Schnellkupplung drücken Sie wirklich die Kamera nur eben auf's
Stativ, und sie sitzt bombenfest. Die Stativköpfe namhafter Hersteller
sind oft in zwei Varianten, d.h. mit Schraube oder Schnellkupplung, zu haben,
und auch die Arretierungen kann man für bestehende Köpfe mit Schraube
nachkaufen. Entscheiden Sie sich frühzeitig für ein System, bei dem
Sie die Einzelteile ohne Probleme nachkaufen können, damit Ihre Ausrüstung
ausbaufähig bleibt.
Tabelle: Brennweitenumrechnung für verschiedene Formate
8x11
mm (Minox)
|
24x36
mm (KB)
|
4,5x6
cm
|
6x6 cm
|
6x9
cm
|
|
"Normal" brennweite |
15
mm
|
50
mm
|
75
mm
|
80
mm
|
105
mm
|
Gleiches
Positivformat:
Zur Umrechnung auf entsprechende KB-Brennweite multipliziere tatsächliche Brennweite mit |
|||||
3,5
|
-
|
0,6
|
0,6
|
0,4
|
|
Dann
gilt die Daumenregel für die umgerechnete Brennweite.
Alternativ kann man die Verschlusszeit ändern um: |
|||||
2 Blendenstufen kürzer | - | 1 Blendenstufe länger | 1 Blendenstufe länger | 1 Blendenstufe länge |