Märchenstunde:
Beim Vergrößern muss man stark abblenden, um die optimale Abbildungsleistung
des Objektivs zu erzielen
Haben Sie auch schon einmal die Behauptung
gehört oder gelesen, die Abbildungsleistung beim Vergrößern
sei optimal, wenn man mindestens zwei bis drei Stufen abblende?
Glauben Sie sie nicht!
Oder zumindest nur eingeschränkt.
Der von mir sehr geschätzte Autor Ctein hat durch umfangreiche Messungen
bereits vor einigen Jahren gezeigt, dass die beste Abbildungsleistung i.d.R.
beim Abblenden um etwa anderthalb Stufen erreicht wird, d.h. bei KB bei
Blende 4-5,6, bei MF und GF entsprechend höher. Bei weiterem Abblenden
wird die Abbildungsleistung wieder schlechter.
Wieso hält sich diese Behauptung trotzdem so hartnäckig?
Ich vermute es liegt daran, dass verschiedene Dinge in einen Topf geworfen werden.
Stoßen wir also zum Kern der Sache vor:
Leichtes
Abblenden eliminiert Randlichtabfall und Randunschärfen
Stimmt. Wenn Sie Ihr Objektiv bei
voller Öffnung benutzen, haben Sie i.d.R. einen stärker ausgeprägten
Randlichtabfall, und auch die Schärfe kann bei manchen Objektiven in den
Randbereichen sichtbar nachlassen. Also blenden Sie um eine oder zwei Stufen
ab.
Abblenden
vergrößert die Schärfentiefe
Stimmt auch. Und hier liegt vermutlich
der Hase im Pfeffer. Sie brauchen aber idealerweise gar keine Schärfentiefe,
denn Sie bilden ein ebenes Objekt auf eine ebene Fläche ab. Beide haben
keine Tiefe, wenn alles in Ordnung ist. Wenn aber Ihr Vergrößerer
nicht sauber ausgerichtet ist, ist meist nur ein Teil des projizierten Bildes
scharf. Blenden Sie jetzt ab, überdeckt die zusätzliche Schärfentiefe
möglicherweise die Auswirkungen der mangelhaften Ausrichtung.
Insofern haben Sie tatsächlich die Abbildungsleistung durch Abblenden erhöht,
aber nur durch Überdecken eines Symptoms, und optimale Schärfe
haben Sie so nicht. Die bekommen Sie erst, wenn Sie das System sauber ausrichten
und die optimale Blende wählen.
Anzeichen
mangelhafter Ausrichtung
Mangelhafte Ausrichtung macht sich durch zwei Dinge bemerkbar: Trapezförmige
Verzeichnung und partielle Unschärfe des projizierten Bildes.
Verzeichnung
Wenn die Ebenen Ihres optischen Systems nicht parallel sind, sind z.B. obere
und untere bzw. linke und recht Kante des Negativs nicht gleich weit vom Grundbrett
entfernt, wodurch der Vergrößerungsmaßstab nicht übereinstimmt.
Dann ist z.B. die Oberkante des Bildes länger als die Unterkante. Das führt
zu einer trapezförmigen Verzeichnung des Negativformats. (Denselben Effekt
nutzt man bei der Entzerrung nach Scheimpflug gezielt aus.) Projizieren Sie
ein Negativ ohne Beschneidung durch Formatmasken auf das Grundbrett und messen
Sie es nach. Wenn die beiden Seitenpaare jeweils gleich lang sind, ist das schon
ein Zeichen, dass keine ganz katastrophale Fehlausrichtung vorliegt. Sehr empfindlich
ist die Methode allerdings nicht.
Partielle Unschärfe des projizierten Bildes
Aus demselben Grund wie bei der Verzeichnung (unterschiedliche Abstände
der verschiedenen Partien des Negativs von der Projektionsebene) ist - zumindest
bei offener Blende - keine durchgängige Schärfe zu erzielen. Aus der
Anordnung scharfer und unscharfer Ecken und aus dem Verhalten bei Veränderung
der Scharfstellung lassen sich Rückschlüsse auf die Ausrichtung ziehen.
Stellen Sie sich zur Veranschaulichung die Negativebene vor wie eine Platte,
die auf einem Bleistift liegt, der wiederum auf einer anderen Platte liegt.
Betrachten Sie Bild 1: Die Rechtecke mit dem Blindtext unter der jeweiligen
Prinzipskizze der Seitenansicht von Negativ, Objektiv und Projektionsbild veranschaulichen
die Schärfe im Projektionsbild. Es sind teilweise verschiedene Lagen der
Schärfeebene relativ zur Projektionsebene eingezeichnet, gekennzeichnet
durch verschiedene Farben. Das "Projektionsbild" gehört jeweils
zur Schärfeebene mit derselben Farbe.
1. Bei sauberer Ausrichtung ist das gesamte Negativ scharf. Alles prima.
2. Liegt der fiktive Bleistift parallel zu einer der Bildkanten, d.h. ist die
Negativebene längs oder quer gekippt, sieht Ihr Negativ aus wie bei (2)
oben oder unten: Es ist ein Streifen scharf, der sich quer oder längs über
das Negativ erstreckt. Wenn Sie die Schärfe verstellen, sehen Sie, dass
der Streifen durch das Negativ wandert.
3. Ist die Negativebene in einer schrägen Achse gekippt (hier gezeichnet
für eine Diagonale), gilt im Prinzip dasselbe wie bei (2), nur dass der
scharfe Streifen schräg liegt. Wenn Sie Ihn durch Verstellen der Schärfe
durch das Bild schieben, wird erst eine Ecke scharf, dann ein Streifen, der
durch das Bild wandert, schließlich landen Sie bei der anderen Ecke.
4. Dieses Bild gehört eigentlich nicht zur Ausrichtung, da hier das Negativ
in einer Ebene gewölbt ist (z.B. wie Film mit einer Tendenz zum Aufrollen).
Wichtig ist es aber, weil seine obere Skizze genauso aussieht wie die im Bild
(2). Unterscheiden lassen sich die Fälle, wenn man die Scharfstellung einmal
"durchfährt": Bei Variante (2) wandert ein scharfer Streifen
durchs Bild, bei (4) wird aus dem einen scharfen Streifen in Bildmitte ein
Paar von Streifen, die beidseitig nach außen abwandern.
5. Der letzte Fall, Bildmitte scharf, alle Ecken unscharf (oder Ecken scharf,
Mitte unscharf) ist nicht mehr gezeichnet. Er hat auch nichts mit der Ausrichtung
des Vergrößerers zu tun. Jetzt liegt die Bildmitte höher oder
tiefer als die Ecken. Das geht nur, wenn Ihr Negativ sich in zwei Ebenen wölbt,
wie z.B. wenn es sich unter Wärmeeinwirkung ausdehnt, aber nach keiner
Seite Platz hat.
Bild 1
Das Ausrichten des Vergrößerers
in der Praxis
Ihr Vergrößerer hat drei Ebenen, die für eine normale Vergrößerung
(s.u.) parallel sein müssen:
1. Projektionsebene (Grundbrett),
2. Negativebene, und
3. Objektivebene (wird gern vergessen).
ANMERKUNG: Bei Entzerrungen nach dem Scheimpflug-Verfahren sollen die
drei Ebenen natürlich nicht parallel sein, sondern müssen sich in
einer Linie schneiden, damit eine über die gesamte Fläche scharfe
Abbildung möglich wird. Die Parallelität der drei Ebenen ist davon
ein Sonderfall: Wo Nicht-Mathematiker sagen "Zwei Ebenen sind parallel,
wenn kein Schnittpunkt existiert.", sagen Mathematiker "Zwei Ebenen
sind parallel, wenn sie sich im Unendlichen schneiden."
Gehen wir schrittweise vor und fangen mit den einfachen Dingen an.
1. Grundbrett ausrichten
Das Grundbrett sollte der Einfachheit halber horizontal liegen. Im Prinzip ist
es egal, ob es schief ist, wenn die beiden anderen Ebenen nur dieselbe Neigung
aufweisen, aber es ist viel einfacher, alle drei Ebenen mit einer Wasserwaage
horizontal auszurichten als alle drei gleich schief zu bekommen.
Um festzustellen, ob Ihr Grundbrett horizontal liegt, legen Sie eine Wasserwaage
je einmal an die im Bild 2 markierten Linien. Die rot markierten Linien stellen
die Mindestanforderung dar. Wenn Sie zusätzlich noch entlang der blau markierten
messen, verbessert das die Empfindlichkeit Ihrer Kontrollmessung.
Bild 2
Wenn Ihr Grundbrett nicht waagerecht liegt, gleichen Sie den Schiefstand aus.
Wenn Ihr Vergrößerer verstellbare Füße hat, sind Sie fein
raus, ansonsten besorgen Sie sich im Baumarkt drei solcher Füße und
montieren Sie unter Ihrem Grundbrett. Auch einfaches Unterfüttern hilft
natürlich.
ANMERKUNG: Die Empfehlung, drei (und nicht vier) Füße
zu erstehen, ist kein Schreibfehler. Drei Füße liegen immer in einer
Ebene, stehen also immer alle drei auf der Stellfläche, und der Vergrößerer
kippelt nicht, selbst wenn das Grundbrett schief ist. Bei vier Füßen
ist das evtl. ein Geduldspiel. Wenn Sie drei Füße anbringen, müssen
auch nur zwei davon verstellbar sein. Bringen Sie einen (wenn Sie einen nicht
verstellbaren haben, nehmen Sie diesen dazu) mittig auf der von Ihnen abgewandten
Seite des Grundbretts an und die beiden anderen an den Ihnen zugewandten Ecken
des Bretts. (Siehe Bild 3.) Achten Sie darauf, dass sich die Füßchen
nicht ungewollt verstellen.
Bild 3
2. Negativebene
ausrichten
Streng genommen müssten Sie auch bei der Negativebene analog zur Vorgehensweise
nach Bild 1 auf vier Linien die Ausrichtung der Ebene prüfen. Meist können
Sie allerdings froh sein, wenn Sie überhaupt eine vernünftige Anlegemöglichkeit
für Ihre Wasserwaage finden. Sie brauchen zwei zueinander rechtwinklige
Linien, entlang derer Sie die Wasserwaage anlegen können. Mitunter müssen
Sie eine "Verlängerung" anbringen, indem Sie ein Stahllineal
o.ä. in die Negativbühne einbringen und auf dem herausragenden Ende
die Wasserwaage anlegen. Achten Sie dann aber darauf, dass es gut anliegt und
dass Ihre Verlängerung so solide ist, dass sie sich nicht biegt!
Wie Sie die Negativebene bei Ihrem speziellen Vergrößerer ausrichten,
entnehmen Sie am besten der Bedienungsanleitung. Hochwertige Geräte haben
entsprechende Vorrichtungen, aber es gibt durchaus Geräte, bei denen dieser
Schritt nicht vorgesehen ist. In einem solchen Fall müssen Sie improvisieren.
Praktisch alle Vergrößerer erlauben Wandprojektion, d.h. ein Kippen
des Kopfes in die Horizontale. Das können Sie, auch wenn diese Verstellung
nicht sehr fein ist, für die Ausrichtung in einer Achse ausnutzen.
Für die zweite müssen Sie dann eine Hilfskonstruktion erfinden, z.B.
durch Anbringen von Papp- oder Metallstreifen an der Führung der Negativbühne
oder der Negativbühne selbst. Leider kann ich Ihnen hier keine allgemein
gültige Lösung empfehlen. Achten Sie auch hier darauf, dass Ihre endgültige
Ausrichtung stabil ist, d.h. dass sich die Verkippung des Kopfes nicht verändert
und/oder untergeklebte Streifen nicht im Laufe der Zeit dünner werden.
Noch eine schlechte Nachricht: Wenn Ihr Vergrößerer nicht hinreichend
stabil gebaut ist, sind möglicherweise bei einer Höhe die beiden Ebenen
parallel, bei einer anderen aber nicht mehr. Betrachten Sie Bild 4: In der oberen
Einstellung (1), ist wegen des längeren Hebelarms das Drehmoment im Befestigungspunkt
der Säule wesentlich größer als in der unteren (2). Der Vergrößerer
hat also in Stellung 1 eine wesentlich größere Tendenz, sich nach
vorn zu neigen. Sollten Sie Zweifel an der Stabilität Ihres Gerätes
haben, überprüfen Sie die Parallelität der Ebenen für verschiedene
Einstellungen. Meist sollten zwei (unten, oben) genügen. Wenn sich dazischen
keine Abweichung zeigt, ist alles OK. Andernfalls müssen Sie je nach Höhe
korrigieren, d.h. bei jeder Einstellung neu.
Bild 4
3. Objektivebene ausrichten
Oft sind die Objektivplatinen versenkt, so dass Sie mit einer Wasserwaage nur
schlecht an sie herankommen. Sie kommen allerdings immer gut an die Fassung
des Objektivs. Hoffen Sie also, dass diese parallel zur Hauptebene des optischen
Systems liegt und legen Sie dort Ihre Wasserwaage an. Leider ist die Länge,
über die Sie die Wasserwaage anlegen können, hier recht klein. Achten
Sie also darauf, dass die Wasserwaage wirklich präzise anliegt. Führen
Sie wieder mindestens zwei Kontrollmessungen auf zueinander senkrechten Linien
durch, die entsprechenden Diagonalen ebenfalls zu kontrollieren, ist nicht falsch.
Auch hier muss ich hinsichtlich der Ausrichtung schwammig bleiben, da nicht
alle Hersteller eine Korrekturmöglichkeit vorsehen. Fein raus sind Sie,
wenn Sie eine Entzerreinrichtung nach Scheimpflug haben. Dann können Sie
Ihr Objektiv drehen und neigen, also auch seine Ebene parallel zu den beiden
anderen ausrichten. Fehlt diese Vorrichtung, helfen wieder untergelegte Distanzstücke.
Unterlegscheiben für Schrauben und Muttern, die Sie auf die Objektivplatine
kleben, können hilfreich sein. (Wenn Sie's genau nehmen, sollten Sie diese
nach getaner Arbeit noch schwarz mattieren, wenn Sie innerhalb des Balgens liegen,
damit sie kein Streulicht erzeugen.) Sie können sich auch in Analogie zu
den Verstellfüßchen unter dem Grundbrett an zwei Stellen Feingewinde
in die Platine bohren (lassen) und dort Stellschrauben anbringen.