Kommt überall durch
oder: Eigenanfertigung von Passepartouts
"Kommt überall durch", so lautet die wörtliche Übersetzung von "Passepartout". Der Diener von Phileas Fogg (Jules Verne: In 80 Tagen um die Welt) hieß so, und die mit einem Fenster versehenen Pappen um Bilder heißen auch so, obwohl sie selber nirgends durchkommen.
Das Passepartout erfüllt
mehrere Funktionen. Die wichtigste: Es fungiert bei hinter Glas gerahmten Bildern
als Distanzhalter zwischen Bildoberfläche und Glas. Wenn die Fotooberfläche
am Glas anliegt, kommt es oft zu einem ungewollten und ungleichmäßigen
Hochglanzeffekt: Da die Bildoberfläche weich ist und im Verlauf der Zeit
fließen kann, nimmt sie dort, wo sie am Glas anliegt, die Oberflächenstruktur
des Glases an. Wenn Sie das Bild aus dem Rahmen nehmen möchten, haben Sie
im besten Falle eines mit ungleichmäßigem Glanz, im schlechtesten
Fall klebt das Bild am Glas und lässt sich ohne Beschädigung gar nicht
lösen.
Auch wird ein anliegendes Bild selten gleichmäßig und flächig
am Glas anliegen. Die Freude an der Betrachtung wird dann getrübt.
Eine weitere Funktion ist ästhetischer Natur: Das Passepartout schafft
einen großzügigen Rahmen, der das Foto aus der Umgebung herauslöst.
Während als Distanzhalter noch ein dünner Rahmen reichen würde,
muss ein "richtiges" Passepartout im Sinne des letztgenannten Punktes
wesentlich größer sein als das Bild, das es umgibt.
Das brauchen Sie
Das Material
Als Passepartoutkarton sollten Sie im Sinne der Dauerhaftigkeit Ihrer Fotos
säurefreien Karton verwenden. Puristen werden sicherlich nur weißen
Passepartoutkarton in Betracht ziehen, aber experimentieren Sie ruhig. Je nach
Ihren Vorlieben für das Rahmenmaterial (nicht jeder mag nüchterne
Metallleisten) sehen andere Farbtöne in Ihren Augen - und die sind es,
auf die es ankommt - gefälliger aus. Und selbst Weiß ist nicht gleich
Weiß. Sie müssen im Laden entscheiden, welcher Karton am besten zu
Ihrem Foto (und dem Rahmen!) passt und dabei im Kopf behalten, dass auch Fotopapiere
nicht alle denselben Bildton haben. Um die Dinge vollends zu verkomplizieren,
sieht der Farbton des Passepartoutkartons unter der Leuchtstofflampe im Laden
möglicherweise auch noch anders aus als unter der Halogenleuchte bei Ihnen
daheim.
Das alles sage ich nicht, um Sie zu entmutigen, sondern nur als Warnung, um
Sie vor Enttäuschungen zu schützen. Wenn Sie Ihre Passepartouts selber
schneiden, haben Sie nicht nur die freie Wahl des Farbtons, sondern auch des
Formats. Das Seitenverhältnis und die Größe des Bildfensters
bestimmen Sie stufenlos. Sie sind nicht auf die Wahl zwischen preiswerten vorgegebenen
Formaten und teuren Einzelanfertigungen festgelegt.
Das Werkzeug
Passepartoutschneidegeräte, im Folgenden oft kurz Cutter genannt, gibt
es in verschiedenen Ausführungen von preiswerten Kunststoffgeräten
bis zu (meist teuren) Ganzmetallausführungen. Es ist die Präzision
der Führung, auf die es primär ankommt. Kunststoffteile verschleißen
schneller als Metallteile, speziell wenn der Kunststoff in einer Metallschiene
geführt wird. Dennoch brauchen Sie nicht gleich zum teuren Ganzmetallgerät
zu greifen. Als ich vor Jahren einen Passpartoutschneider kaufen wollte, wurde
mir nur ein relativ preisgünstiges Gerät mit Kunststoff-Klingenhalter
angeboten, das ich dann auch kaufte, weil ich ungeduldig war. Ich habe es inzwischen
reichlich benutzt, und es funktioniert immer noch zu meiner Zufriedenheit.
Die wirklich wichtigen Merkmale des Passepartoutschneiders sind
größtes erzielbares Bildfenster und
Schräg- oder Geradschnitt, ggf. Schnittwinkel
(meist 30° und/oder 45°)
Wenn Sie Klingen nachkaufen, beachten Sie, dass Schräg- und Geradschnittklingen
sich unterscheiden!
Einen Geradschnittschneider muss man nicht unbedingt haben. Mit ruhiger Hand
kann man das auch mit einem Stahllineal und einer scharfen Klinge "einfach
so" hinbekommen. Meist ist aber der Geradschnitt in der Grundausstattung
enthalten, dann ist er etwas bequemer zu benutzen als die Einfachlösung.
Die eigentliche Existenzberechtigung für den Passepartoutschneider ist
der Schrägschnitt. Ob es 30° oder 45° sein sollen, ist eine "geschmäcklerische"
Frage. Wenn Sie die Möglichkeit haben, schauen Sie sich beides an. Wenn
Sie Passepartoutkarton mit farbiger, grauer oder schwarzer Deckschicht und weißer
Zwischenschicht verwenden, wird bei 45° der weiße Rand um das Bild
etwas breiter.
Eine Unterlage
Eigentlich ein trivialer Punkt, aber er wird oft vergessen, und er hat seine
Tücken. Im Laden wird man Ihnen gerne eine "selbstheilende" Schneidmatte
anbieten, die bei großem Format richtig ins Geld geht. Was man Ihnen im
Laden möglicherweise nicht sagt, ist, dass diese Schneidmatte aller Wahrscheinlichkeit
nach nur für Geradschnitte "selbstheilend" ist. Wenn Sie darauf
mit dem Schrägschnittcutter arbeiten, ist sie i. d. R. bald hinüber.
Ich weiß nicht, ob es auch für Schrägschnitte "selbstheilende"
Matten gibt, aber mir ist noch keine untergekommen.
Statt der Schneidmatte tut es aber auch ein richtig dicker Buchbinderkarton
oder eine andere richtig dicke und billige Pappe. (Nur Wellpappe ist wegen der
Wellen nicht so toll beim Schneiden.) Einen Bogen von 70 cm ´ 100 cm bekommen
Sie für ein paar Euro, und obwohl er nicht selbstheilend ist, können
Sie ihn recht lange benutzen.
Sonstiges
Sonstige Hilfsmittel sind
ein großer Tisch mit gutem Licht,
ein Bleistift und ggf. Radiergummi,
ein Lineal (soweit nicht als Bestandteil des Passepartoutschneiders
bereits vorhanden),
ein Geodreieck und
(nützlich, aber nicht unbedingt erforderlich)
ein Zirkel.
Ersatzteile
Die Klingen des Cutters werden mit dem Gebrauch stumpf. Das merken Sie spätestens,
wenn Sie einmal einen Karton versaut haben, weil die Klinge nicht mehr sauber
geschnitten, sondern den Karton auf der Vorderseite zerrissen hat. Wenn Sie
den Eindruck haben, dass Ihnen das Schneiden außergewöhnlich schwer
fällt, sollten Sie daher im Zweifel die Klinge austauschen, auch wenn die
Schnitte noch gut aussehen. Die Klingen kosten nicht die Welt (in meinem
Fall gut 0,50 € je Klinge), aber ein Bogen Passepartoutkarton kostet meist
eine Stange Geld (50x70 cm z.B. 10 bis 20 €).
Achten Sie beim Klingenkauf darauf, die richtigen Klingen zu kaufen: Klingen
für Schrägschnitte sind anders geschliffen als solche für gerade
Schnitte. Auf der Packung steht der Anwendungsbereich der Klingen.
Aufziehen: Ja oder Nein?
Hierzu nur ein paar kursorische Überlegungen: Es gibt eine Reihe von Verfahren,
Fotos den nötigen "Halt" zu geben, damit Sie auch schön
glatt hinter dem Passepartout liegen. Der Klassiker ist die Heißkaschierung,
an die sich viele Amateure nicht herantrauen. Mit geringerem Hardwarebedarf
kommt eine Kaltkaschierung mit doppelseitig klebender Folie (z.B.von Neschen )
in Frage. Aus konservatorischer Sicht sollten Sie Ihre Fotos aber lieber gar
nicht aufziehen. Dem Konservator ist es immer lieber, wenn Sie nur lösbare
Verbindungen vorsehen. Dazu schneiden Sie ein Stück Karton, säurefreie
Qualität, auf dieselbe Größe wie den Passepartoutkarton. Darauf
bringen Sie das Foto mit Fotoecken an. Planen Sie das rechtzeitig ein, damit
Ihr Foto so viel Rand hat, dass man die Ecken nicht durch das Fenster sieht!
Zur Sache
Als Erstes bestimmen Sie die Größe des Rahmens, d. h. die Größe
der Pappe, aus der Sie das Fenster ausschneiden. Oft ist diese durch die Wahl
des Rahmens vorgegeben (wenn Sie den nicht auch selbst fertigen). Aber glauben
Sie nicht unbesehen die Formatangabe des Herstellers. Messen Sie!
Als Nächstes brauchen Sie die Größe des Bildfensters. Lassen
Sie es dabei nicht an der nötigen Genauigkeit fehlen, denn Passepartoutkarton
ist nicht billig, und es ist ärgerlich, wenn Sie "schlecht abschneiden".
Es gilt zwar im Prinzip auch hier, dass man immer noch hinterher abschneiden
kann, dass aber "dranschneiden" nicht geht, aber es ist nicht ratsam,
das Fenster auf Verdacht zu klein zu schneiden, da kleine Korrekturen selten
unsichtbar bleiben. Also gleich genau arbeiten!
Überlegen Sie sich an dieser Stelle, ob - und wenn ja, wo - Sie das Foto
signieren wollen. Zum Thema "Fotos signieren" gibt es viele kontroverse
Ansichten. Es gibt Leute, die meinen, das wirke bei einem Foto im Gegensatz
zu einem Gemälde überzogen. Ich persönlich signiere meine gerahmten
Fotos. Die Bilder sind Ausdruck meiner Sichtweise, und sie sind ein Stück
Handarbeit, auf das ich stolz bin. Überlegen Sie auch, wo Sie signieren.
Auf dem Bild selbst signiere ich ungern, da das meist die Komposition stört.
Wenn Sie andererseits auf dem Passepartout signieren, kann man Ihre Signatur
vom Bild entfernen. In diesem Fall rate ich Ihnen, auf der Rückseite des
Fotos zusätzlich Ihre "Duftmarke" zu setzen. Als Kompromiss bliebe
noch das Vorsehen eines weißen Randes extra zum Signieren. Diesen müssen
Sie dann bei der Bestimmung der Fenstergröße mitberücksichtigen.
Neben der Größe des Bildfensters müssen Sie dessen Lage
im Rahmen bestimmen. Das mag Ihnen trivial erscheinen, ist es aber nicht ganz.
Es gilt i. Allg. als gute Praxis, unter dem Bildfenster mehr Platz zu lassen
als darüber, denn ein in vertikaler Richtung genau mittig gerahmtes Bild
sieht aus irgendwelchen Gründen meist so aus, als säße es zu
tief. Sie sollten sich daher überlegen, wie Sie den übrig bleibenden
Rand verteilen. Sie können dazu Ihr Augenmaß, den goldenen Schnitt
oder auch eine Faustformel nutzen. Um eine gewisse Einheitlichkeit aller
Ihrer Bilder zu wahren, empfehle ich Ihnen, ein festes Verhältnis zu benutzen.
Ein Beispiel:
Rahmengröße: |
40 x 60cm
|
Bildfenster: |
20
x 30cm
|
Rest: |
20cm
oben und unten
30cm links und rechts (nicht jeweils, sondern insgesamt) |
Die 20 cm könnten Sie dann z. B. im Verhältnis 8:5 auf unten und oben verteilen, d. h.
Rand unten: |
20cm geteilt durch 13 (nämlich 8+5) mal 8 = 12,3cm
|
Rand oben: |
20cm
minus 12,3 cm = 7,7cm
|
Ich empfehle Ihnen für den zweiten Schritt die Subtraktion, obwohl Sie natürlich auch hier 5/13 nehmen könnten. Die Fehlermöglichkeiten sind geringer.
Wenn Sie so weit sind,
greifen Sie zu Lineal, Bleistift und Messer. Den Passepartoutkarton legen Sie
mit der Vorderseite (also der Seite, die Sie später sehen) auf die Schneidunterlage.
Achten Sie darauf, dass diese sauber ist und auch keine Buckel aufweist, denn
diese könnten sich im Passepartoutkarton abdrücken.
1) Auf den Bogen Passepartoutkarton messen Sie entlang der Kanten Länge
und Breite des Rahmens ab. Nutzen Sie die vorgegebenen Kanten (wenn Sie noch
sauber und unbeschädigt sind), denn sie sind Dank Maschinenschnitt wirklich
rechtwinklig. Nutzen Sie das Geodreieck (je größer es ist, desto
besser), um rechtwinklig zu einer Kante die Schnittlinie zu markieren.
2) Spätestens jetzt sollten Sie in die Gebrauchsanweisung Ihres Passepartoutschneidegerätes
schauen: Die Klinge schneidet i.d.R. nicht entlang der Anlegekante des Lineals,
sondern parallel dazu (siehe Bild 1). Sie müssen also auf dem Passepartout
noch ein kleineres Fenster markieren, nämlich aus den Linien, an denen
Sie das Schneidelineal anlegen (Bild 2). Der Abstand zwischen Anlegelinie und
Schneidkante sollte in der Gebrauchsweisung Ihres Cutters stehen. Ansonsten
messen Sie ihn selbst aus.
Bild 1
Bild 2
3) Wenn Sie so weit sind, schneiden Sie den Passepartoutkarton auf die gewünschte
Größe zu.
4) Markieren Sie nun das Bildfenster. Beachten Sie dabei folgende Punkte:
a) Parallelität zu den Kanten,
b) Größe und
c) Lage (horizontal zentriert, vertikal etwas nach oben
versetzt, siehe oben).
5) Jetzt geht's ans Messer
Für den Schrägschnittcutter gilt dasselbe wie für den Geradschnittcutter,
nur natürlich mit anderen Maßen: Er schneidet auch nicht an der Anlegelinie
entlang, sondern ein Stück davor. Sie müssen also wieder ein kleineres
Fenster einzeichnen.
Es kommt aber hier eine weitere Komplikation hinzu: Da die Klinge bei Beginn
des Schnitts heruntergeklappt wird, fängt sie auch nicht dort an zu schneiden,
wo sie aufsetzt, sondern ein Stück dahinter. Am Ende des Schnitts gilt
dasselbe: Sie müssen (scheinbar) ein Stück weiter schneiden als bis
zum Ende des markierten Fensters. Betrachten Sie Bild 3: Der Cutter hat zwei
Markierungen, A und B. Im Falle meines Cutters ist es so, dass ich Markierung
A genau 25 mm vor dem geplanten Schnittbeginn ansetzen muss und den Schnitt
fortführen muss, bis sie genau 25 mm über das geplante Ende hinaus
geführt ist. (Markierung B kommt dann zum Einsatz, wenn das Passepartout
so klein ist, dass ich nicht 25 mm über das Fenster hinaus fahren kann.
In diesem Falle muss ich 25 mm vor Schnittende auf der Linie eine Markierung
anbringen, an der ich mit Markierung B anhalte.
Bild 3
Kurz und gut: Sie müssen an den Ecken des geplanten Fensters Zusatzmarkierungen
für Beginn und Ende des Schnitts anbringen.
Bei meinem Cutter ist es netterweise so, dass der Abstand zwischen Schnittlinie
und Anlegelinie exakt dem Abstand zwischen Schnittbeginn/-ende und Markierung
A (oder B) entspricht. Dadurch brauche ich nur um die Ecken meines Fensters
mit dem Zirkel Kreise zu ziehen und das Schneidlineal an den Kreisen anzulegen.
Auf Bild 4 sehen Sie den Beginn des Schnitts: Markierung A liegt auf dem Kreis
in Schnittrichtung vor der Fensterecke, das Lineal liegt am Kreis an.
Bild 4
Schneiden Sie nun Seite 1 und von der Ecke weiter Seite 2.
Sobald Sie den zweiten Schnitt geführt haben, heben Sie den Passepartoutkarton
an der entsprechenden Ecke vorsichtig an. Wenn Sie richtig geschnitten haben,
haben Sie eine saubere Ecke erzeugt. Falls nicht, und der Ausschnitt hängt
noch an einem Fitzelchen Karton fest, versuchen Sie dieses mit einem scharfen
Skalpell zu trennen. Widerstehen Sie der Versuchung, es durch Drücken zu
zerreißen. Das wird oft nur dazu führen, dass sich die Deckschicht
des Passepartoutkartons löst und Sie eine unsauber ausgefranste Ecke bekommen.
6) Der Anfang war das Schwierigste. Haben Sie das hinter sich, schneiden Sie
die restlichen zwei Seiten, wobei Sie an jeder Ecke vorsichtig prüfen,
ob Sie sauber gearbeitet haben.
7) Nach dem vierten Schnitt haben Sie es geschafft: Ihr erstes selbst geschnittenes
Passepartout ist fertig!