''Kehrt um!“ – AGFA Scala in Heimarbeit

Die meisten Hobbyfotografen verbinden die Schwarzweissfotografie mit Negativentwicklung und anschließenden nächtelangen Sitzungen in der Dunkelkammer und einer mehr oder weniger gelungenen Vergrößerung als Lohn der Mühe. Aber es gibt noch einen anderen Weg zu eindrucksvollen und hochwertigen Schwarzweissbildern: Die Umkehrentwicklung zum Diapositiv.

Während Positivpapiere auf einen Wiedergabeumfang von ungefähr 1:100 beschränkt sind ist es in der Projektion möglich, Bilder mit wesentlich höheren Kontrastumfängen wiederzugeben. Den Effekt kennt man von der Farbdiaprojektion: brillante Bilder mit Detailzeichnung von den tiefsten Schatten bis in die höchsten Lichter. Und seien wir mal ehrlich: was ist schon ein 30x40cm Abzug gegen ein projiziertes Bild?

Der große Nachteil der Schwarzweissdias war in der Vergangenheit ihre mäßige Verfügbarkeit in gängigen Empfindlichkeiten (AGFA DiaDirect 25 ASA), mangelnde Farbneutralität und Brillanz (Ilford XP1/XP2 im E6-Prozess) oder einiges an Vorarbeit seitens des Anwenders zur Optimierung des Prozesses (Umkehrkits von Tetenal und Kodaks).

Die Entwicklung und Einführung des AGFA Scala im Sommer 1995 (in Zusammenarbeit mit dem Fachlabor Dormoolen, Hamburg) war dann für die Freunde von Schwarzweissdias eine Erlösung, die Hauptprobleme vom Tisch:

Das neue Material mit dem neuen Prozess wurde dem entsprechend vom technischen Standpunkt her ein voller Erfolg. Scala-Dias überzeugen durch ein brillantes, ausgezeichnet durchgezeichnetes, scharfes und kontrastreiches Bild mit neutralem Bildton und klaren Lichtern, dass in der Selbstverarbeitung bisher nur unter optimalen Bedingungen zu erreichen war. Scala-Dias sind in ihrer Wirkung suchterzeugend.Und damit hätte dieser Artikel schon enden können, wenn da nicht auch einige Haare in der Suppe wären:

Wir bieten eine Lösung für diese Probleme und eine Handreiche für eigene Versuche mit anderen Filmen – Filme vom Schlage eines Kodak HIE sind in der Projektion recht überzeugend. Auch der Fomapan R100 ergänzt den Scala im Kleinbild durch einen eigenen Charakter und dürfte als gezähmter „Motion Picture Film“ eine recht sichere Zukunft haben – Pan Tau lässt grüßen.

Der Heimverarbeiter hat mehr Möglichkeiten, er übernimmt die Verantwortung für seine Filme und macht sich unabhängig von Tagesform und Durchsatzrate im Fachlabor. Von monetären Vorteilen ganz zu schweigen.

Nachdem die Zahl der Scala­Labore ja immer geringer wird und auch die Entwicklung nicht wirklich billig ist, haben wir uns in den letzten Wochen darangemacht, ein sauberes und reproduzierbares Verfahren zur Selbstverarbeitung dieses wunderbaren Materials zu dokumentieren.

Was ist zum Scala­Originalprozess inzwischen bekannt? [2]

1. ein Hochtemperaturprozess,
2. ausschliesslich Hängerentwicklung,
3. Umkehr durch Zwischenbelichtung, kein chemisches Umkehrverfahren (z.B. durch Zinn­II­Chlorid o.ä.).

Hochtemperaturprozesse sind nicht für jeden Emulsionstyp geeignet, da die meisten gebräuchlichen SW­Schichten nicht ausreichend gehärtet sind – nur wenige Filme sind so robust wie die Produkte der AGFApan-Serie, die sich auch von Folterversuchen mit Pyrogallol-Entwicklern unbeeindruckt zeigen. Hängerentwicklung ist alleine räumlich und von den Prozessumsatzmengen natürlich für die Heimverarbeitung keine wirkliche Option und die Umkehrung mittels Zwischenbelichtung ist ein auch in der Selbstverarbeitung unkritisches Verfahren.

Was braucht es zur Selbstverarbeitung des AGFA Scala?

1. Chemie

Wir griffen auf das Foma-Diakit zurück [3] – die Alternativen sind entweder wegen massiver Schwierigkeiten mit Entwicklungskonstanz und Konfektionierung vom Markt genommen (Tetenal SW-Dia) oder nur alle Schaltjahre in Deutschland verfügbar und teuer (Kodak Reversal). Die Kosten belaufen sich auf zur Zeit auf ca. € 2,50 pro KB­ bzw. Rollfilm, das Set ist von mehreren Händlern in Deutschland beziehbar. Die Verwendung dieses Kits brachte einen weiteren Vorteil für uns – es liegen optimal abgestimmte Anhaltswerte für den Prozess des Fomapan R100 vor, wir können den tschechischen Diafilm als Controllstrip missbrauchen.

2. Hardware

Da der Prozess mit 45 bis 60min pro Durchgang deutlich langwieriger als ein normaler SW­Prozess ist, spricht alles für die Rotationsentwicklung – Komfort und Prozesskonstanz., Temperatur, Bewegung und Badwechsel sind so einfach besser im Griff zu behalten. Eine Automatisierung des Badwechsels in Form eines Lift, ATL o.ä. ist bei Badwechselzeiten im Bereich von 10 bis 15sec aber sicher nicht zwingend erforderlich, wodurch auch einfache und gebraucht preiswert verfügbare Maschinen wie etwa eine Jobo CPE2 ohne Lift für die Verarbeitung in Frage kommen.

3. Zeit

Es ist empfehlenswert, sämtliche Chemieansätze unmittelbar vor Prozessbeginn (ca. 45 min vorher) anzusetzen, um mit wirklich frischen Materialien zu arbeiten. Der zeitliche Aufwand der Verarbeitung ist mit 45 bis 60 Minuten pro Durchgang (exklusiv Wässerung und Trocknung) anzusetzen.

Grundlagen zum SW­Diakit von Foma

Es handelt sich hierbei um ein komplett konfektioniertes Kit, es ist wirklich alles enthalten, was man zur Umkehrentwicklung des Fomapan R100, dem tschechischen "Scala­Pendant" benötigt. Die mitgelieferte Prozessbeschreibung ist hinsichtlich der Verarbeitung des Fomapans abgestimmt und führt praktisch auf Anhieb zum Erfolg, was einen direkten Vergleich nach Sicht Foma R100/AGFA Scala 200x erlaubte.

Der kleine Karton beinhaltet:

Bis auf das Kaliumpermanganat sind alle Komponenten einzeln in Kunstoffflaschen konfektioniert, der Einzelansatz pro Film läuft so ohne Stress und leicht reproduzierbar ab. Beim Ansatz von Entwickler, Klärbad und Fixierer gibt es nichts besonderes zu beachten, einzig das Bleichbad verlangt etwas mehr Aufmerksamkeit und Sauberkeit beim Ansatz:

Es handelt sich um ein schwefelsaures Kaliumpermanganat­Bleichbad, das aus zwei Komponenten angesetzt wird: Part 1 ist das Kaliumpermanganat, Part 2 ist konzentrierte Schwefelsäure (Sicherheitsvorschriften beachten! [4]).

Der Ansatz des Bleichbades sollte, abweichend von der uns vorliegenden tschechischen Foma­Vorschrift folgendermassen erfolgen:

270 ml entmineralisiertes Wasser ("DestilliertesWasser" aus dem Baumarkt; wichtig, das Bleichbad wird so haltbarer und konsistenter!) vorlegen, dann 30 ml der Schwefelsäure hinzugeben ("erst das Wasser, dann die Säure, sonst passiert das Ungeheure...").

Erst dann das Beutelchen mit dem Kaliumpermanganat zugeben. Mit einem Glasstab das ganze gut durchrühren, dann 15 min stehen lassen. Jetzt kommt die erste Abweichung vom tschechischen Pfad: es wurde wiederholt berichtet, dass einzelne Partikel des Bleichbades auf der Emulsion zurückbleiben können und zu Flecken führen. Dies lässt sich durch die konsequente Verwendung von demineralisiertem Wasser (Kaliumpermanganat bildet Reaktionsprodukte mit Wasserinhaltsstoffen im Leitungswasser) und obligater Filtration durch einen Papierfilter unmittelbar vor Einsatz des Bleichbades verhindern – dafür ist besser ein eigener Trichter vorzulegen. Im Filter bleiben Verunreinigungen des Kaliumpermanganats (''Braunstein“) sowie ungelöste Kaliumpermanganatkristalle zurück.

Bei sämtlichen uns vorliegenden Umkehrprozessen von SW­Materialien wurde über die Gefahr der Schichtablösung berichtet. Unserer Erfahrung nach kommt es zu diesem "Emulsionsstress" durch mehrere Faktoren:

Es ist nachzuvollziehen, dass bei dieser Behandlung die Emulsionen sehr viel an Belastung auszuhalten haben. Bei Filmen, die speziell in Richtung von Hochtemperaturprozessen ausgelegt sind (wie z.B. Scala) ist das eher unkritisch, bei eher konventionellen Materialien, zu denen auch der tschechische SW­Umkehrfilm Fomapan R100 gehört, kann das sehr schnell zu unbrauchbaren Ergebnissen führen. Besonders die spezielle Lichthofschutzschicht zwischen Emulsion und Schichtträger des Foma-Filmes machte Probleme – die Emulsion war arg geschwächt und war leicht vom Träger zu wischen.

Wie kann man dieses Problem umschiffen?

  1. ''pH­Stress“ der Emulsion so weit wie möglich mildern
  2. nicht mehr Zwischenwässern als unbedingt notwendig
  3. Prozesstemperatur bei 20°C konstant halten
  4. Emulsion härtend nachbehandeln (dazu später mehr).

Wir haben nach den Problemen mit zu weicher Schicht beim Fomapan R100 folgende Änderungen im vorgeschriebenen Prozessablauf eingeführt:

  1. Minimierte Zwischenwässerungen
  2. 3%ige Stoppbadstufe zwischen Erstentwickler und Bleichbad statt 2 min Zwischenwässerung
  3. Nachwässerung nach der Bleichung nur bis zum Verschwinden der Rosafärbung durch das Kaliumpermanganat im Waschwasser.
  4. Nach der Schlusswässerung erfolgt eine Behandlung in handelsüblichem, in entmineralisiertem Wasser angesetzem E-6­Stabilisatorbad.

Der Effekt ist eine moderate Schichthärtung und ein absolut sauberes Abtrocknen der Filme ohne Flecken (Wichtig: Trocknung bei Raumtemperatur! Hochtemperaturtrocknung in Mistral oder Meteor­Trockenschrank hat hier zu Flecken geführt, Reste des Netzmittels trockneten dabei auf der Schicht!).

Neue Filmtypen sind am besten per Clip-Entwicklung und im direkten Vergleich mit dem Referenzmaterial Fomapan R100 zu behandeln – man belichtet einen Film mit einem ausgewogenen Motiv und entwickelt nur ein ca. 30cm langes Teilstück mit einer Standardzeit. Nach dem Trocknen wird gerahmt und mit Ideal-Dias gemischt projeziert und so eine Abweichung in der Erstentwicklung oder Belichtung bestimmt. In der Regel sitzen diese Faktoren spätestens beim dritten Clip stimmig.

Detaillierter Prozessablauf
nach Hilgert/Rohleder

(mod. nach Fomavorschrift für Fomapan R100 @EI100 und AGFA Scala @EI125)

Die Entwicklung erfolgte in einer Jobo 1520 in Rotation auf einer Jobo CPE2, Geschwindigkeitsstufe 2. Mantelbadtemperatur ca. 21°. Die Zeiten wurden durch wiederholte Clipentwicklung ermittelt und bestätigt.

  1. Chemikalien (Erst­/Zweitentwickler, Stoppbad, gefiltertes Bleichbad, Klärbad und Schnellfixierer) sowie Waschwasser auf 20°C temperiert bereitstellen.
  2. Eine Vorwässerung ist im Sinne konstanter Ergebnisse nicht zu empfehlen! Eine Vorwärmung der Dose ist ob der niedrigen Prozesstemperatur nicht nötig.
  3. Erstentwicklung 12 min. Die Zeitnahme startet mit dem ersten Tropfen Entwickler im Trommeltrichter, Deckel schliessen, Dose kurz aufstossen und an die bereits rotierende Maschine koppeln.
  4. Chemie in die Vorratsflasche zurückgiessen, der Entwickler wird noch zur Zweitentwicklung weiterverwendet!
  5. 1x mit temperiertem Wasser durchspülen, von Hand zweimal kippen, dann verwerfen und den Entwicklungsprozess mit dem essigsauren Stoppbad endgültig anhalten.
  6. Bleichen für 8 min, Zeitnahme wie vor.
  7. Bleichbad verwerfen und solange mit häufigen Wasserwechseln wässern, bis die Rosafärbung gerade eben verschwunden ist.
  8. Klärbad für 4 min.
  9. Klärbad verwerfen, kurz zwischenwässern.
  10. Spule aus der Dose entnehmen, aber auf der Spule belassen. Nicht erschrecken, der Film ist zitronengelb mit schleierhaften Bildspuren ­ und das ist gut so!
  11. Zwischenbelichtung in Wasser 2x3 min bei 40 W unter regelmässigem Drehen, der gesamte Film muss Licht ausgesetzt werden! Dieser Schritt ist aber eher unkritisch! Als Belichtungsgefäss hat sich der tiefe Kunststoffdeckel einer 100er CDR-Spindel bewährt – die Auflaufschale kann in der Küche bleiben.
  12. Film wieder mit der Spule in die Dose einsetzen und verschliessen.
  13. Zweitentwicklung 5 min.
  14. Zweitentwickler verwerfen, zwischenwässern.
  15. Fixieren 4 min.
  16. 16. Schlusswässern nach Ilford [5]
  17. nach der Wässerung 1 min Bad in E-6­Stabilisatorlösung.
  18. Film entnehmen, nicht abstreifen und staubfrei bei Raumtemperatur trocknen.

Entsorgung der Prozesslösungen

Im wesentlichen gelten die vom konventionellen SW-Prozess bekannten Grundsätze zur Entsorgung der verbrauchten Prozessmaterialien - getrennte Sammlung von Entwickler und Fixierer, Reduktion des Müllvolumens durch Silberausfällung und Abgabe beim Umweltmobil oder Schadstoffhof.

Lediglich das Bleichbad ist ungewohntes Terrain – hier ist die Neutralisierung des sauren Milieus durch Hinzufügen von Soda anzuraten. Die fortschreitende Reaktion zeigt sich durch Ausgasen, das Kaliumpermanganat reagiert inzwischen zu Braunstein aus und die Lösung kann schliesslich unter Nachspülen mit reichlich Wasser als Abwasser entsorgt werden.

Empfindsame Gemüter können die neutralisierte Lösung auch abfiltern und die trockenen Filter im Schadstoffhof den Altbatterien beigeben ([6] und [7]).

Fazit

Es hat sich ergeben, dass sowohl der Fomapan R100 (nur in 135er­Konfektion erhältlich) als auch der AGFA Scala (135 und 120) unter genau diesen Prozessbedingungen konsistente und schlichtweg schöne SW­Diapositive ergeben, die auch kritischen Maßstäben genügen dürften. Der Prozess klingt nur auf den ersten Blick umständlich, ist aber letztendlich unproblematisch und sicher in der Anwendung.

Die Nennempfindlichkeit des AGFA Scala von 200 ASA konnte allerdings nicht ohne Qualitätseinbußen erreicht werden, der Verlust von 2/3 Blende Empfindlichkeit unter Belichtung auf 125ASA bei dann hoher Qualität sollte aber den Schritt zur Selbstverarbeitung leicht machen. Durch Zugabe von Thiosulfat zum Erstentwickler könnte dem begegnet werden – unter Verlust der Bequemlichkeit bei Wiederverwendung der gleichen Lösung für Erst- und Zweitentwicklung.

Ein testweise unter identischen Prozessbedingungen entwickelter AGFA APX100 (120er Konfektionierung) ergab zwar ebenfalls durchweg brauchbare Ergebnisse, in den Schatten erschien der APX aber eine Spur dünner, geringer in den erzielbaren Dichten. Kontrast- und motivabhängig kann also auch der APX100 eine Scala­Alternative sein. – die beiden Produkte sind identisch sensibilisiert, haben den gleichen Träger, das gleiche Schwarzschildverhalten, sie sind aber definitiv nicht der gleiche Film

Im Kleinbild ist der Fomapan R100 ein robuster und sehr wohlfälliger Film – wir erhielten leicht warmschwarze Dias, sehr scharf, sehr feinkörnig und dabei weicher als der Scala 200x – im Erscheinen ein Abzug auf der Leinwand. Auf Prozessabweichungen reagierte der Foma äußerst gutmütig – eine verkürzte oder verlängerte Erstentwicklung war nicht mit dem Auge am Dia erkennbar.

Michael W. Hilgert, Roman J. Rohleder, im August 2004

Unser Dank in für Korrekturen und Hilfsdienste geht an Stefan Kahlert und Franz S. Borgerding.

Quellen und weiterführende Hinweise:

[1] http://www.agfa.com/de/photo/products/professional/film/scala/labs/

[2] Foto und Labor 2/95, S.24f

[3] http://www.foma.cz/Upload/foma/prilohy/z_set_en.pdf

[4] http://www.physik.tu­ ilmenau.de/mikrreak/home/downloads/lectures/chemicals/schwefelsaeure95­97.pdf

[5] „Some Investigations on the Kinematics of the ILFORD batch Film washing Procedure“, Rolf Suessbrich, in http://www.largeformatphotography.info/unicolor/ilfwash.pdf

[6] http://userpage.chemie.fu-berlin.de/~tlehmann/sonderab/schwefels.html

[7] http://userpage.chemie.fu-berlin.de/~tlehmann/sonderab/mangan.html

[8] http://www.photoshot.com/articles/general/agfa_scala_200x.htm